Thüringische Landeszeitung (Jena)
Potenzial in Fernost
Über die Vietnamreise von Bodo Ramelow
Eine Sonder wirt schafts zone in Hanoi und ein Partner schafts abkommen mit Vietnam: Die Ankündigung endes im fernöstlichen Ausland befindlichen Ministerpräsidenten klingen konkret und wirken wie ein vorzeigbares Resultat. Aber bisher sind es eben nur Ankündigungen. Es gab schon einige Regierungschefs, die in Russland oder den USA große Dinge erzählten. Später war davon wenig zu hören. Dennoch könnte es mit Vietnam anders sein. Die Sozialistische Republik versucht ähnlich wie China den Spagat zwischen politischer Gängelung und wirtschaftlicher Freiheit – und wächst dabei rasant. Das Interesse an Deutschland, dem wichtigsten europäischen Handelspartner, ist daher nicht geheuchelt. Vietnam braucht Kapital, Know-how und, ja, auch Kapitalismus. Thüringen besitzt hier einen entscheidenden Vorteil aus DDR-Zeiten: Für viele Vietnamesen gehört das Land zu der Region in Deutschland, in der sie einst lernten und arbeiteten. Überall in dem fernen asiatischen Land trifft man Menschen, die in Jena oder Dresden studierten. Nicht wenige von ihnen befinden sich in Führungspositionen. Und nicht wenige von ihnen schicken jetzt ihre Kinder nach Thüringen, damit sie Hotelfachfrau in Weimar oder Kfz-Mechaniker in Suhl lernen. Das demografische Match ist perfekt: Während in Vietnam jeder Zweite unter 25 Jahre alt ist und die guten Jobs fehlen, mangelt es im überalterten Thüringen zunehmend an Fachkräften. Wie gesagt, noch ist vieles nur Ankündigung oder Modellprojekt. Aber das Potenzial für mehr, es ist tatsächlich da.