Thüringische Landeszeitung (Jena)
Kaffee denken, laues, braunes Wasser trinken?
Jawoll! Den dunklen Gasthausmauern entronnen, draußen in die Sonne blinzeln – und dann fällt er, der wohl berühmteste Satz der deutschen Gastronomie: „Draußen gibt’s nur Kännchen-Kaffee.“Der Satz stammt aus einer Zeit der gesamtdeutschen Allmacht der Kellner, Köche und Wirte gegenüber dem nach einem freien Platz heischenden Gast – und er ist fachlich vollkommen nachvollziehbar: Der Koch sagt, ein Kännchen würde die Temperatur des Inhalts besser halten (was bei vorgewärmter Kanne auch stimmen mag). Der Kellner meint, er könne Kännchen und leere Tassen einfach besser unfallfrei und schneller zum Platz des Trinkgeldgebers transportieren. Und der Wirt hofft durch doppelte Menge den Umsatz zu erhöhen. Der Gast wiederum denkt: Egal, Hauptsache ich sitze in der Sonne!
Das heutige „Kännchen“ist der pappige Kaffee aus dem Vollautomaten oder der Pad-Maschine. Ist ja so praktisch, auch wenn es nicht schmeckt. Kaffee denken, laues, braunes Wasser trinken. Espresso schmeckt aber eigentlich nur aus Siebträgern, bereitet von einem fachkundigen und Kaffee liebenden Barista. Und Bohnenkaffee? Am besten frisch gebrüht. Und, ja, im klassischen Kännchen! Qualität und Frische des Kaffees sind natürlich entscheidend, die Anschaffung einer Mühle lebensnotwendig. Aber dann: Porzellanfilter, gutes Papier, mehr braucht es nicht. Papierfilter lauwarm ausspülen vorher, damit der Geschmack neutralisiert wird. Pulvermenge immer nur knapp mit 95 Grad heißem (nicht kochenden!) Wasser bedecken, wenn zu viel aufgegossen wird, schmeckt’s durch Überextraktion bitter.
Zum Hotelfrühstück leider nicht praktikabel. Aber nachmittags zum Kuchen oder abends nach dem Dessert – hach, wäre das schön: Drinnen nur Kännchen!