Thüringische Landeszeitung (Jena)
Revolte im virtuellen Raum?
Da soll noch mal einer behaupten, dass Internet sei kein besonders schnelles Medium. Ohne soziale Netzwerke hätten wir glatt den jüngsten politischen Putsch verpasst: Franka Hitzing, gerade erst mit 99 Prozent der Stimmen (ohne Gegenkandidat allerdings) als ehrenamtliche Bürgermeisterin von Friedrichsthal im Amt bestätigt, ist wieder „Landesvorsitzende der FDP Thüringen“.
So steht es zumindest auf ihrem TwitterAccount.
Vor lauter Schreck haben wir als erstes auch bei Thomas
Kemmerich nachgeschaut. Und unser Verdacht schien sich zu bestätigen. Dort heißt es: „MdB, Bundesvorsitzender Liberaler Mittelstand,Vorsitzender FDP Erfurt, Chef Friseur Masson AG, Jurist, verheiratet, sechs Kinder, geboren in Aachen“. Interessant und detailliert, aber von FDPLandeschef steht da nichts.
Da loben wir – ausnahmsweise, versteht sich – Susanne HennigWellsow. Bei der liest man: „Landesvorsitzende DIE LINKE THÜR., Vorsitzende der Linksfraktion Thüringen.“Und jeder weiß Bescheid.
Und nun? War hier bei den Liberalen eventuell eine konspirative Revolte im Gange? Hat sich die unsanft ausgebootete Hitzing den Chefposten klammheimlich zurückgeholt? Oder hat sich Kemmerich, einst Vorsitzender des Gleichstellungs ausschusses im Landtag, für eine Doppelspitze entschieden? Oder noch unheimlicher: Haben sich alle ExVorsitzenden abgesprochen und erleben ihren virtuellen, politischen zweiten Frühling?
Es gab eine Zeit, da wären uns solche Verschwörungstheorien nie in den Sinn gekommen. Wir wären einfach davon ausgegangen, dass hier jemand seinen Account vernachlässigt hat. Aber mittlerweile...
Vorsichtshalber haben wir deshalb bei den Zwitschervögeln und ExVorsitzenden Christine Lieberknecht (CDU) und Andreas Bausewein (SPD) recherchiert und natürlich auch Rainer Wernicke (Grüne) nicht vergessen. Und siehe da: Entwarnung! Von ihnen droht keinerlei Gefahr mehr für die eigenen Parteifreunde.
Das wird Mike Mohring beruhigen. Bei dem fehlt bei Twitter nur noch „Ministerpräsidentenkandidat“, ansonsten hat er alle Wichtigkeiten unterbringen können: „Landesvorsitzender @cdu_thueringen | Fraktionschef @cdu_fraktion_th | Vorsitzender #fvkCDUCSU“.
Auch Wolfgang Tiefensee (SPD) wird froh sein, dass zurzeit kein anderer Genosse Ambitionen hegt. Er gibt vorsichtshalber weder sein Minister noch sein Parteiamt an. Kluger Schachzug, dann muss man im Fall der Fälle nichts ändern.
Bei GrünenChef Denis Peisker ist übrigens zu lesen: „Jena. Stadtentwickler. Umwelt. Sprecher B90/Grüne Thüringen. Oberbürgermeisterkandidat.“Bis auf den Schluss erscheint dieser Eintrag damit brandaktuell.
Der ungekrönte (nicht nur) Thüringer Twitterking, Ministerpräsident Bodo Ramelow,– annähernd 50 000 Tweets (und damit offenbar mehr als „@realDonaldTrump“) – schreibt einfach nur „Mensch“. Damit kann man nun wirklich nichts falsch machen. Es soll jedoch linke Weggefährten geben, die sehen in ihm doch eher „@realBodoRamelow".
TLZLandeskorrespondent Elmar Otto erreichen Sie unter (0361) 555 05 38 oder per EMail unter e.otto@tlz.de