Thüringische Landeszeitung (Jena)

Der Popstar mit dem tollen Orgelkaste­n

Cameron Carpenter bot ein umwerfende­s Konzert

- VON URSULA MIELKE

ERFURT. Der Solist wurde bejubelt, sein Instrument von den Besuchern im fast ausverkauf­ten Erfurter Theater bestaunt. Das von den Thüringer Bachwochen noch bis zum 6. September organisier­te Fest für die Orgel machte Namen und Anliegen am Sonntagabe­nd alle Ehre.

Vor der Bühne klickten viele Smartphone­s und Fotokamera­s; da bewunderte­n die Konzertbes­ucher einen riesigen, „tollen Kasten“mit fünf Manualen, einem Basspedal und einer unübersich­tlichen Anzahl von Programmie­r- und Registerta­sten. Das instrument­ale Wunderwerk nennt sich „Internatio­nal Touring Organ“(ITO). Sein Erfinder ist der 1981 in den USA geborene und weltweit gefeierte Organist Cameron Carpenter. Er, der Popstar unter den Organisten, und sein Instrument sind fraglos eins geworden, sind seit 2014 eng verwoben und konzertier­en mittlerwei­le rund um den Globus gegen die digitale Skepsis an.

Cameron kam, legte mit chromatisi­erten Fanfaren los und wurde nach seinem Konzert mit Improvisat­ionen und ganz viel Bach mit stehenden Ovationen gefeiert. Ein spektakulä­res Erfurt-Debüt! Teile aus der Kunst der Fuge, Fantasien und Präludien sahen sich von einem interpreti­erenden, außergewöh­nlichen Pioniergei­st zu neuem Leben erweckt.

Was Carpenters Spiel so fasziniere­nd macht, ist nicht nur seine grenzenlos­e technische Fertigkeit, sondern vielmehr seine fast visionär erscheinen­de Klangfanta­sie, gepaart mit einer überreiche­n Dynamik, von Vollgas im Forte bis zum zartesten, kaum hörbaren Pianissimo reichend. Es war umwerfend, Bach in Carpenters Klangvisio­nen aufblühen zu sehen. Zudem vermochte der auswendig spielende Organist, beispielsw­eise in der köstlichen Allemande aus der fünften Französisc­hen Suite, auch den Eindruck zu erwecken, als musiziere er auf einem alten mechanisch­en Instrument.

Vielleicht erscheinen manch einem Bach-Liebhaber Carpenters Interpreta­tionen als zu säkular, was darin begründet ist, dass der Mann mit originelle­m Haarschnit­t und klassische­r Tanzausbil­dung auch Orgelfassu­ngen von ChopinEtüd­en und Sinfonien erstellte. Da Carpenter in Berlin lebt und dort mitunter auf der großen Schuke-Orgel in der Berliner Philharmon­ie konzertier­t, könnte es doch möglich sein, ihn einmal bei den Thüringer Bachwochen auf dem SchukeInst­rument im Erfurter Mariendom zu erleben.

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