Thüringische Landeszeitung (Jena)

Die Geheimspra­che der Tränen Und wie helfen die Tränen in solchen Momenten?

Warum Menschen weinen, dafür interessie­ren sich sogar Forscher

- VON VIKTORIA SPINRAD

WEIMAR. Heulen, Flennen oder Plärren. Es gibt viele Worte für das Weinen. Wir Menschen tun es zum Beispiel, wenn wir traurig sind. Tiere weinen hingegen nicht. Warum bei uns die Tränen fließen, erforscht der Wissenscha­ftler Ad Vingerhoet­s aus den Niederland­en.

Herr Vingerhoet­s, wann haben Sie das letzte Mal geweint?

Ach, mich berühren die schönen, erhabenen Dinge. Das letzte Mal ist es wieder vor einer Woche passiert. In einer Brauerei. Da kümmern sich Mönche um Menschen, die ganz viel Unterstütz­ung brauchen – so berührend! Schon liefen die Tränen ...

Wie wird man denn TränenExpe­rte?

Vor 25 Jahren fragte mich jemand auf einer Party: „Ist Weinen eigentlich gesund?“Ich hatte keine Ahnung. Das hat mich geärgert! Dazu kam noch der berühmte Forscher Darwin. Er meinte vor fast 150 Jahren: Die Tränen beim Weinen aus Traurigkei­t haben eigentlich keinen Sinn. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und habe losgeforsc­ht!

Und was haben sie herausgefu­nden – wann laufen bei uns die Tränen?

Wir weinen vor allem, wenn wir uns hilflos, überwältig­t oder frustriert fühlen. Also wenn wir nicht wissen, wie wir mit einer Situatione­n umgehen sollen. Dann sind wir entweder traurig oder wütend. Bei Kindern laufen natürlich die Tränen, wenn sie Papa oder Mama vermissen. Bei den Eltern kullern auch in anderen Situatione­n die Tränen. Zum Beispiel wenn sie einen Film oder einen Moment besonders schön finden. Ich bin der Meinung: Ohne unsere Tränen wären wir Menschen im Vergleich mit Tieren nicht das, was wir sind. Das Besondere an uns Menschen ist: Wir helfen uns gegenseiti­g und geben unser Wissen weiter. Das geht nur, wenn wir die Gefühle unserer Mitmensche­n verstehen. Und wenn jemand weint, wissen wir sofort: Der braucht jetzt meine Hilfe!

Dann ist Weinen eine Art Hilferuf?

Das Besondere am Weinen ist eigentlich die Wirkung auf andere Menschen. Zum Beispiel in Situatione­n wie: Ein kleines Kind vermisst seinen Papa – und die Kindergärt­nerin umarmt ihn. Die Mama ist ganz gerührt vom Film – und bekommt einen dicken Schmatzer vom Papa. Und das ohne jede Bewegung oder Worte! Weinen ist eine echte Geheimspra­che.

Und für den, der weint – ist das nun gesund oder nicht?

Besonders gesund ist Weinen nur manchmal: Zum Beispiel wenn wir lange traurig waren und das nicht zeigen konnten. Dann fühlen wir uns erleichter­t und glückliche­r. Aber manchmal ist Weinen nicht so gut. Menschen, die ständig sehr traurig sind, fühlen sich nach dem Weinen noch trauriger. Die Reaktion der Mitmensche­n ist entscheide­nd: Wir fühlen uns noch schlechter, wenn andere unsere Tränen nicht ernst nehmen oder uns sogar dafür auslachen. Aber wenn andere uns trösten und unsere Reaktion bestätigen, fühlen wir uns besser. Dann haben die Tränen gewirkt.

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Foto: Peter Endig Ein 14 Monate alter Junge weint lautstark und energisch, um seinen Wünschen Nachdruck zu verleihen.

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