Thüringische Landeszeitung (Jena)
Richter wollen von Politik unabhängig sein
Verband kritisiert: Gerichte werden vom Ministerium wie nachgeordnete Behörden behandelt
ERFURT. Der Thüringer Richterbund ist enttäuscht über die vorgelegten Eckpunkte von Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) zur Novelle des Richtergesetzes. Insbesondere fehle die im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag festgeschriebene Stärkung der Selbstverwaltungs- und Mitwirkungsrechte der Justiz. Selbst der Wegfall des Stichentscheids, der dem Minister das letzte Wort bei der Auswahl von Richtern gibt, geschieht aus Verbandssicht nur halbherzig. „Der Stichentscheid wird formell abgeschafft, aber unter anderem dadurch ausgehöhlt, dass der Minister die Ausschreibung für den Posten zurückziehen kann“, sagte Richterbundchef Holger Pröbstel dieser Zeitung.
Zudem sei vorgesehen, die Mitbestimmung der Richter lediglich denen der Beamten anzunähern. Weisungsabhängige Beamte würden also besser gestellt als dem Grundgesetz nach unabhängige Richter. „Das ist nicht nachvollziehbar und ein Skandal“, sagte Richterbund-vorstandsmitglied Ludger Baumann. „In der gelebten Praxis werden die Gerichtsbarkeiten nur wie nachgeordnete Behörden behandelt.“
Richter haben viel Macht. Sie legen mit ihren Urteilen milliardenschwere Atomkraftwerke lahm, klagen ehemalige Bundespräsidenten an oder schicken Terroristen lebenslang hinter Gitter. Aber wenn es um die eigenen Belange geht, haben sie kaum etwas zu melden.
Ob bei Beurteilungen, Abordnungen oder Beförderungen – immer hat an dieser Stelle der Justizminister seine Hände mit im Spiel.
Sieht so eine unabhängige Justiz aus? Oder ist ein Richter, der in seiner Laufbahn noch einmal befördert werden möchte, nicht eher darauf bedacht, eine systemkonforme Entscheidung zu fällen, anstelle sich mit seinem obersten Dienstherrn anzulegen.
Nun gut, in Thüringen sind die Zeiten offenbar vorbei, als Landtagsabgeordnete persönlich bei Richtern intervenierten. Aber selbst der Eindruck, am politischen Gängelband geführt zu werden, schadet dem richterlichen Ansehen.
Der grüne Justizminister Dieter Lauinger hat die Hoffnungen, die seine ehemaligen Richterkollegen in ihn gesetzt haben, enttäuscht und den inakzeptablen Entwurf seines SPDVorgängers allenfalls kosmetisch aufgehübscht.
Dabei: Die Kritik der Richter ist kein Selbstzweck. Eine unabhängige Justiz hinterlässt auch beim Bürger ein gutes Gefühl.