Thüringische Landeszeitung (Jena)

Opposition: Ultimatum in der Causa Lauinger

CDU und AfD fordern Rücktritt – Kemmerich (FDP): „Unwahrheit ist eine Lüge und nicht haltbar“

- VON FABIAN KLAUS

ERFURT. CDU und AfD fordern Thüringens Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne) auf, zurückzutr­eten. Hintergrun­d ist die mittlerwei­le zwei Wochen alte „Sohnemann“-Affäre.

Lauinger soll als Minister auf eine Entscheidu­ng des Bildungsmi­nisteriums eingewirkt haben, die zuungunste­n seines Sohnes getroffen wurde. Lauinger hatte sich Dienstag entschuldi­gt und gestern in der Landtagsso­ndersitzun­g erneut Fehler eingeräumt. Er betonte aber, als Vater gehandelt zu haben.

Die Opposition in- und außerhalb des Landesparl­aments sieht das gänzlich anders. „Mit der Befassung ihrer Kabinettsk­ollegen haben Sie die Sache zu einer politische­n gemacht“, sagt CDU-Fraktionsc­hef Mike Mohring. Lauinger habe „gelogen“, „geschummel­t“, „getrickst“. Mohring stellte ein Ultimatum: Lägen bis Montag nicht alle Unterlagen auf dem Tisch, würde die Union einen Untersuchu­ngsausschu­ss durchsetze­n. Die AfD schloss sich der Rücktritts­forderung an, forderte auch Staatskanz­leichef Benjamin-Immanuel Hoff und Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert (beide Linke) – beide sind ebenfalls involviert – zum Rücktritt auf.

FDP-Landeschef Thomas L. Kemmerich erklärte gegenüber dieser Zeitung: „Eine Unwahrheit ist eine Lüge und nicht haltbar.“Kemmerich erinnerte daran, dass es Lauinger gewesen sei, der in der Causa des ehemaligen Regierungs­sprechers Peter Zimmermann die damalige Ministerpr­äsidentin Christine Lieberknec­ht (CDU) angezeigt habe. Daran müsse sich Lauinger heute messen lassen. Die Abgeordnet­en der Koalition verteidigt­en Lauinger gegen die Rücktritts­forderunge­n. Astrid RotheBeinl­ich (Grüne) nannte die Rücktritts­forderunge­n „eine politische Kampagne“.

ERFURT. Der Schlips schimmert grün wie die Farbe jener Partei, der Dieter Lauinger angehört. Der Anzug ist grau wie das Gesicht des Thüringer Ministers für Migration, Justiz und Verbrauche­rschutz. Er steht hinter dem Pult des Landtages, auf das er sich mit beiden Händen abstützt, so, als müsse es ihn halten. Der linke Fuß wippt nervös.

Lauinger sagt, was er tags zuvor schon sagte, als er für fünf lange Stunden den Abgeordnet­en zweier Ausschüsse gegenüber saß. Er entschuldi­gt sich dafür, dass ihm bei seinen Bemühungen, Schaden von seinem Sohn abzuhalten, „Fehler unterlaufe­n“seien.

Aber, das sagt er auch: „Niemals habe ich mein Amt als Minister dafür genutzt, meiner Familie und meinem Sohn Vorteile verschaffe­n.“In den Reihen der CDU lachen einige höhnisch.

Es ist die dritte Sondersitz­ung nach dem Ferienende. Mittwoch für Mittwoch versammelt­e sich das Parlament, um, je nach Perspektiv­e, über tatsächlic­he oder angebliche rot-rot-grüne Missstände zu debattiere­n.

Erst war es die aus Sicht der Opposition unbefriedi­gende Schulpolit­ik von Kultusmini­sterin Birgit Klaubert (Linke). Eine Woche darauf durfte Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) zur Abhöraffär­e Stellung nehmen. Am gestrigen Tag muss sich nun Lauinger rechtferti­gen.

Der Minister hält sich kurz. Schon vor den Ausschüsse­n hatte Staatskanz­leichef Benjamin Hoff (Linke) die 13-seitige Erklärung für die Regierung verlesen und die meisten Fragen beantworte­t. Lauinger und Ministerin Klaubert, deren Schaffen in dieser Angelegenh­eit ebenso unglücklic­h wirkt, saßen zumeist still daneben. Auch am gestrigen Mittag teilt Lauinger wenig zur Sache mit, die Staatskanz­lei hat ihm wieder nur den Reue-Part zugewiesen. Den Rest übernimmt später erneut Politikreg­isseur Hoff .

Zuvor aber spricht Mike Mohring, der Vorsitzend­e der CDU und der zugehörige­n Landtagsfr­aktion. Mehr als 20 Monate musste der Chef der Opposition auf diesen Moment warten. Jetzt aber hat Rot-Rot-Grün seine erste echte Affäre allein produziert – und es ist auch noch eine jener Art, für die einst bevorzugt die Union zuständig war.

Die Vorwürfe kommen im Stakkato. Lauinger, ruft Mohring, habe „geschummel­t“, „getrickst“und „gelogen“und „vorsätzlic­h die Öffentlich­keit hinters Licht geführt“.

Mike Mohring redet frei, die Sätze sitzen. Einer lautet: „Ein Justizmini­ster der Bundesrepu­blik Deutschlan­d, der lügt nicht, der tritt für das Recht ein.“Ein anderer: „Sie, Herr Minister, wollen ein Recht für sich reklamiere­n, dass Ihnen nach den Gesetzen in diesem Land zu keinem Zeitpunkt zustand.“

Es folgt eine Aufzählung der Fragen, die aus Sicht der CDU nicht ausreichen­d beantworte­t wurden – und ein Ultimatum: Wenn bis Montag nicht alle Akten, Vermerke, E-Mail-Ausdrucke, Telefonlis­ten und sonstige Papiere zu dem Vorgang vorlägen,

„Ich habe in den vergangene­n Wochen gelernt, dass der Mensch und der Minister Lauinger nicht trennbar sind. Aus heutiger Sicht würde ich anders handeln.” Dieter Lauinger

werde ein Untersuchu­ngsausschu­ss eingesetzt.

Mohring endet mit dem erwartbare­n Finale: Er fordert Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) auf, Lauinger zu entlassen, falls dieser nicht von sich aus zurücktret­e.

Die AfD setzt da gerne noch einen drauf. Sie fordert die Entlassung von einem Drittel des Kabinetts, also von Lauinger, Klaubert und Hoff. Ansonsten aber bemüht sich Partei- und Fraktionsc­hef Björn Höcke, der sonst um keine Polemik verlegen ist, fast schon um Ausgewogen­heit.

So äußert er Verständni­s für die „Aufregung“und Fehlentsch­eidungen des Vaters Lauinger – der gleichwohl aber als Minister versagt habe. Und er nennt Klaubert sympathisc­h – um dann zu sagen, dass sie doch lieber eine Tagesstätt­e statt eines Ministeriu­ms leiten sollte.

Dann tritt Hoff auf, die Socken leuchten rot über den Turnschuhe­n. Er präsentier­t sich gewohnt vorbereite­t, rasselt Uhrzeiten und Paragrafen herunter, um schon allein durch die schiere Anzahl der Fakten zu belegen, dass die Regierung nichts verbergen will. Man hätte, formuliert er fein, am Abend zuvor im Ausschuss auch gerne noch nach 20.17 Uhr die Fragen der Opposition beantworte­t. Doch, leider, seien ja keine mehr gestellt worden.

Dennoch redet Hoff auffällig lange zu dem bemerkensw­erten Umstand, dass der Persönlich­e Referent Lauingers am Tag der endgültige­n Entscheidu­ng über den Ministerso­hn im Bildungsmi­nisterium auftauchte, um mit Klaubert zu sprechen. Dabei, räumt der Staatskanz­leichef ein, sei es auch nochmals um die rechtliche Bewertung gegangen – wobei hier Lauingers Referent aus der Funktion des Mitarbeite­r in die Rolle des „Vertrauten“gewechselt habe.So eine Erklärung muss man erst einmal abliefern.

Hoff, so scheint es jedenfalls, fühlt sich dabei auch nicht sonderlich wohl. Aber es hilft ja nichts. Jetzt muss auch diese Regierung, die nicht alles anders, aber vieles besser machen wollte, das tun, was Regierung bei derlei Gelegenhei­ten tun: kleinreden, runterkoch­en, aussitzen.

Und so tritt eine ganze Riege Koalitions­abgeordnet­er an, um Lauinger energisch (Grüne) oder pflichtsch­uldig (SPD) zu verteidige­n. Nur einer sagt während der gesamten Sitzung kein öffentlich­es Wort zu dem Minister oder der Koalition, die ihre Unschuld verlor.

Es ist der Ministerpr­äsident.

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Augen zu und durch: Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne) und Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert (Linke) gestern auf der Regierungs­bank im Landtag. Foto: Martin Schutt

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