Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Studie der BKK verzeichnet mehr Hitzschläge, Borreliose und Hautkrebs. Zunehmende Krankheiten verursachen hohe Kosten für die Wirtschaft
Berlin.
Der Klimawandel führt nicht nur in der Umwelt zu Extremwetterlagen mit Bränden und Hochwasserschäden, sondern beeinträchtigt auch die Gesundheit – und verursacht dadurch hohe Kosten. Der Anstieg der Temperaturen und die Häufung sehr heißer Sommer haben im vergangenen Jahrzehnt zu mehr Hitzekollapsen, Dehydrierungen, Borreliose-Infektionen und Pollenallergien bei Beschäftigten geführt.
Das geht aus einer aktuellen Studie des BKK Landesverbands Nordwest hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Ausgewertet wurden die Fehltage (AU) von rund zehn Millionen BKK-Versicherten zwischen den Jahren 2010 und 2019 und mit Klimadaten abgeglichen. Der untersuchte Zeitraum war das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Dabei wurden „drastische Steigerungsraten klimasensibler Erkrankungen“festgestellt. Die Details:
Hitzeschäden
Die Betriebskrankenkassen registrierten einen drastischen Anstieg von Hitzschlägen und Kollapsen in den besonders heißen Jahren 2015,
2018 und 2019. Auf 100.000 Versicherte kamen 2019 im Bundesschnitt 120 Fälle solcher „Hitzeschäden“– fast dreimal so viele wie
2011.
Jeder Behandlungsfall kostete die Krankenkasse im Schnitt 6512 Euro. Hinzu kommt ein volkswirtschaftlicher Schaden, der kaum zu beziffern ist. „Die meisten Fälle werden von der Krankenschein-Statistik gar nicht erfasst, weil die Leute trotz ihrer Beschwerden weiter arbeiten“, sagt Matthias Augustin, Arzt und Forscher am Uniklinikum Eppendorf in Hamburg, der die Studie wissenschaftlich begleitet hat. Doch nehme dann ihre Leistungsfähigkeit und damit auch die Produktivität ihres Unternehmens stark ab.
Unter den Berufstätigen kollabieren besonders häufig Menschen, die im Freien arbeiten, allen voran
Bauarbeiter, die oft der Sonne ausgesetzt sind, leiden besonders unter steigenden Temperaturen.
Spargelstecher. Auch Verkäuferinnen, Verkäufer und Pflegekräfte sind überdurchschnittlich oft betroffen. Dirk Janssen, Chef des BKK Landesverbands, führt das auch auf die Arbeitsbedingungen zurück. „Für Hitzewellen sind Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser oft nicht gut genug gewappnet.“Er fordert deshalb einen besseren Hitzeschutz
Naturkatastrophe
der Gebäude – von der Jalousie bis zur Klimaanlage.
Dehydrierungen
Stark zugenommen haben auch die Klinikeinweisungen dehydrierter Menschen, vor allem von Kleinkindern und Menschen ab 75. Flüssigkeitsmangel, der zu Thrombosen, Nierenversagen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann, brachte 2019 bundesweit 633.000 Versicherte ins Krankenhaus – rund
50 Prozent mehr als früher. Im Rekordhitzejahr 2018 wurden rund
20.000 Todesfälle direkt auf Hitzefolgen zurückgeführt. „Bei den Hitzetoten sehen wir sehr viele über 80Jährige“, so Augustin.
Borreliose
Neben „Hitzeschäden“nehmen auch die sogenannten klimasensiblen Krankheiten zu – jedoch nicht sprunghaft, sondern kontinuierlich. Beispiel Lyme-Borreliose: Durch steigende Temperaturen und milde Winter können sich Zecken besser ausbreiten, vor allem in nördlicheren
Gegenden, sagt der Klimaforscher Laurens Bouwer vom Climate Service Center Germany. Am niedrigsten sind die Infektionsraten in nördlichen Großstädten. In Berlin wurde 2019 bei 3 von 1000 Versicherten eine Borreliose diagnostiziert – ein Fünftel mehr als 2010. In Thüringen fing sich fast jeder 100. Versicherte Borrelien nach einem Zeckenbiss ein – ein Plus um 50 Prozent.
Heuschnupfen
Auch die Zahl der HeuschnupfenPatienten steigt stetig – bundesweit seit 2012 um ein Fünftel auf 673.000. Der Mediziner Augustin erklärt dies mit der Ausweitung der Pollensaison: „Es fliegen mehr Pollen, und sie fliegen länger“, sagt er und nennt die Folgen für die Allergiker: „Es erkranken mehr Menschen. Und wer bereits erkrankt ist, muss mehr Medikamente nehmen und hat ein erhöhtes Risiko, dass sich sein Heuschnupfen zu einer Asthma-Erkrankung auswächst.“Und anders als etwa Borreliose oder Hautkrebs lasse sich eine Pollenallergie
kaum durch Vorsorge vermeiden.
Hautkrebs
Die Zahl der Hautkrebs-Erkrankungen hat sich bundesweit auf über 6000 Fälle je 100.000 Versicherte binnen zehn Jahren fast verdoppelt. Das zog 2019 rund 860 Fehltage je 100.000 Versicherte nach sich, von denen jeder die Volkswirtschaft gut 200 Euro kostet. Nicht nur die Betriebskrankenkassen sprechen von einer neuen Volkskrankheit. Die Ursachen einer bösartigen Hautveränderung liegen oft viele Jahre zurück, entsprechend verläuft der Anstieg nicht parallel zu den Hitzeausschlägen einzelner Jahre. Augustin prognostiziert eine weitere Zunahme, weil die Menschen mehr Zeit leicht bekleidet im Freien verbringen werden. „Wenn sich ein Volk auszieht und rausgeht, wird sich mehr weißer und schwarzer Hautkrebs bilden.“Die steigende UV-Belastung bei sehr hohen Temperaturen bleibe nicht folgenlos.
Düsseldorf.
Die Corona-Pandemie hat einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung zufolge die Immobilienpreise in Deutschland zusätzlich steigen lassen. Laut der Untersuchung von Ökonomen der Universität Regensburg betrug der Pandemieeffekt bei den Angebotspreisen für Eigentumswohnungen im bundesweiten Durchschnitt 0,7 Prozentpunkte.
Bei Ein- und Zweifamilienhäusern seien es sogar 1,1 Prozentpunkte, berichtete die gewerkschaftsnahe Böckler-Stiftung. Die Preise für Eigentumswohnungen seien zwischen dem 1. Quartal 2020 und dem 2. Quartal 2021 um durchschnittlich 17 Prozent gestiegen, die für Einfamilienhäuser um 15,6 Prozent.
Bei den Mieten sei der zusätzliche Corona-Effekt bundesweit klein und regional unterschiedlich: Während die Pandemie das Wachstum bei Neumieten in Groß- und Mittelstädten leicht gedämpft habe, seien die Angebotsmieten für Neuverträge in ländlicheren Regionen durch Corona zusätzlich nach oben gegangen. Bundesweit rechnen die Wissenschaftler mit einem zusätzlichen Anstieg der Angebotsmieten für Neuverträge um 0,1 Prozentpunkte. Insgesamt seien die Angebotsmieten zwischen dem 1. Quartal 2020 und dem 2. Quartal 2021 um durchschnittlich 5,0 Prozent gestiegen.