Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Schwelgerischer Glanz von Giuseppe Verdis „Requiem“
Unterwegs mit der Philharmonie (23): Umjubeltes Gastspiel mit Chor in der Wiesbadener Marktkirche
Giuseppe Verdi hatte seine „Missa da Requiem“im Mai 1874 in Mailand uraufgeführt. In diesem großartigen Tongemälde stellte er nicht allein eine Sicht von Tod und Jüngstem Gericht in den Mittelpunkt, sondern immer wieder auch eine Welt von Trost und Hoffnung. Als ein Werk seiner späteren Schaffensphase vereinte es Gesangssolisten- und große Chöre mit einem opulenten Orchesterklang. Schauplatz einer Aufführung in Wiesbaden war jetzt die zentral in der Stadtmitte gelegene, in neugotischem Stil erbaute und 1862 eingeweihte mächtige evangelische Marktkirche. Den Altarraum ziert die von Emil Hopfgarten geschaffene lebensgroße Christusfigur mit Evangelistengruppe. Hier waren der Marktkirchenchor Wiesbaden und die Frankfurter Singakademie als imposanter Chor mit weit über 120 Sängern postiert, die Musiker der Thüringen-Philharmonie Gotha-Eisenach in großer Besetzung hatten davor Platz gefunden.
Die sieben Teile des Requiems hatte Verdi auf vielfältigste Weise musikalisch inszeniert. Der Chor hatte dabei unterschiedlichste Aufgaben zu bewältigen, von den verhaltenen Tönen des „Introitus“bis hin zu den Ausbrüchen des „Dies irae“. Die schwierige Akustik machte es den Sängern nicht leicht, trotz perfekter Artikulation im großen Kirchenraum verständlich rüberzukommen. So war es nicht verwunderlich, dass vor allem die a cappella-Stellen von der Qualität des Chores zeugten. Wenn das Orchester im Tutti aufspielte, war es dagegen für den Chor schwieriger, sich zu behaupten. Marktkirchenkantor Thomas J. Frank am Dirigentenpult stand ein stimmkräftiges Solistenquartett zur Verfügung. Jessay-Joy Spronk (Sopran) glänzte mit strahlendem Ausdruck ganz besonders in den hohen Lagen, Romana Vaccaro (Mezzosopran) hatte in den innigen Passagen des Requiems ihre großen Momente, Sung Min Song (Tenor) überzeugte mit seinen lyrischen Interpretationen auch im intensiv ausgesungenen „Ingemisco“, und Karl Huml (Bass) schuf mit seiner fülligen tiefen Lage nachhaltige Eindrücke. Das Orchester war sowohl in den verinnerlichten als auch in den fulminanten Passagen stets ein zuverlässiger Begleiter sowohl der Solisten als auch des Chores. Berührend gelang dies im „Offertorium“und später im „Lux aeterna“, in dem sich die Musiker einfühlsam dem vorangegangenen a cappella der Solisten anschlossen. Als das abschließende „Libera me“in einem verklingenden Piano endete, folgte nach einer kurzen Atempause lang anhaltender, kräftiger Applaus, der vom Publikum in der fast voll besetzten Kirche für alle Beteiligten stehend gespendet wurde, deutlich erkennbar insbesondere auch für die Philharmoniker. Bereits am Vortag wurde das „Requiem“vor ausverkauftem Haus in der Alten Oper in Frankfurt (Main) aufgeführt, dort zusammen mit Ouvertüren und Arien aus Verdi-Opern. Nach einem solchen intensiven Arbeits-Wochenende war es verständlich, dass die Musiker es sich auf der Rückfahrt am Sonntagabend in den Sitzen des Busses bequem machten. Denn in der neuen Woche warten auf sie schon wieder Proben zum Ballett „Der Nußknacker“mit Aufführungen am Wochenende in Eisenach und Gotha.