Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Wortakrobatik über kleine Dinge des Alltags
Der Lyriker Jan Wagner bekommt den BüchnerPreis
In seinen Gedichten beschäftigt sich Jan Wagner oft mit kleinen Dingen des Alltags, zum Beispiel einem Teebeutel oder einer Regentonne. Es war eine riesige Überraschung, als der Lyriker im Frühjahr 2015 im Kampf gegen vier Romanciers den Belletristikpreis der Leipziger Buchmesse erhielt. Gut zwei Jahre später erscheint die höchste literarische Auszeichnung des Landes, der Georg-Büchner-Preis, dotiert mit 50 000 Euro, fast schon folgerichtig für das Werk des Dichters.
„Jan Wagners Gedichte verbinden spielerische Sprachfreude und meisterhafte Formbeherrschung, musikalische Sinnlichkeit und intellektuelle Prägnanz“, begründete die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung die hohe Auszeichnung. Wagner ist mit seiner unangestrengt wirkenden Lyrik, auch wenn sie nicht immer einfach zu lesen ist, erfolgreich. Seine Gedichte sind inzwischen in fast 30 Sprachen übersetzt worden.
In der deutschen Lyrikszene war Wagner schon lange etabliert, bevor er in Leipzig mit seinem schmalen Band „Regentonnenvariationen“den Durchbruch schaffte. Der gebürtige Hamburger hatte bereits 2001 seinen ersten Gedichtband „Probebohrungen im Himmel“vorgelegt. Besonders in der Natur findet Wagner einen unerschöpflichen Vorrat für seine Wortakrobatik. Ein Gedicht in der Form eines Sonetts über den Giersch – ein von Kleingärtnern wenig geliebtes Unkraut – wird zu einem Spiel mit Zischlauten über diese gierig-wuchernde Pflanze.
Der 45-Jährige ist beileibe nicht der erste Lyriker, der den Georg-BüchnerPreis erhält. In die Reihe gehören auch Jürgen Becker (2014), Oskar Pastior (2006) oder die große österreichische Lyrikerin Friederike Mayröcker (2001). Wagner steht aber für eine neue Generation von jungen Lyrikern, die sich in den vergangenen 15 Jahren ihren Raum geschaffen haben.
Für die jungen Lyriker ist das gesprochene Wort ein wichtiger Teil der Poesie. Wenn Wagner seinen „Giersch“liest, ist auch ein bisschen Performance dabei.
„Das Schöne, wenn man Gedichte schreibt, ist, dass man nie weiß, was einem als nächstes begegnet“, sagt Wagner der Deutschen Presse-Agentur. Ein Dichter muss staunend mit offenen Augen durch die Welt gehen und deren Themenvielfalt entdecken, lautet seine Devise. Wagner, der Anglistik unter anderem in Dublin studierte, ist von der angelsächsischen Lyrik stark beeinflusst. Allerdings ist der 45-Jährige, der seit Jahren in Berlin lebt, keineswegs nur Gedichteschreiber. Seine „beiläufige Prosa“in Essaybänden wie „Die Sandale des Propheten“(2011) oder jüngst „Der verschlossene Raum“(2017) sind von der Kritik hochgelobt worden. (dpa)