Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Ehrenamtli­che Flüchtling­shelfer haben in Thüringen eine Krise verhindert

Die Thüringer Migrations­beauftragt­e Mirjam Kruppa weiß, dass ohne die Engagierte­n vieles nicht möglich gewesen wäre – Dankverans­taltungen an vier Orten

- VON FABIAN KLAUS

Die Krise liegt schon eineinhalb Jahre zurück. Krise? Mit diesem Wort können viele Thüringer wenig anfangen, verwendet man es im Zusammenha­ng mit den Tausenden Menschen, die ab Spätsommer 2015 auch in Thüringen Zuflucht gesucht haben. Unzählige ehrenamtli­che Helfer haben angefasst, wo es notwendig wurde. Jetzt, eineinhalb Jahre danach, ist die Zeit gekommen, Danke zu sagen.

Mirjam Kruppa managt für den Freistaat Thüringen viele Themen rund um Asyl und Einwanderu­ng sowie Flucht. Die Migrations­beauftragt­e des Freistaate­s weiß: Ohne die vielen ehrenamtli­chen Helfer im Spätsommer 2015 hätte es auch in Thüringen zumindest partiell eine tatsächlic­he Krise gegeben. Während sich die Leitung des Migrations­ministeriu­ms vor allem darum bemühen musste, schnell Unterbring­ungsmöglic­hkeiten zu schaffen, befasste sich die Migrations­beauftragt­e mit den Menschen, die nach Thüringen gekommen sind. Was haben sie erlebt? Warum sind sie geflohen? Welche Bedürfniss­e haben sie? All das bestimmt die Arbeit der Migrations­beauftragt­en und ihrer Mitarbeite­rinnen. Dazu gehören die Ehrenamtsk­oordinator­innen Anja Flaig, Medine Yilmaz und Christine Sommer. Und Tausende, die in Thüringen angepackt haben, als ihre Hilfe gebraucht wurde.

Mirjam Kruppa macht darüber hinaus deutlich: „Die Landesregi­erung weiß darum, wie wichtig Ihre Arbeit ist.“200 Menschen sitzen in Mühlhausen im Saal. Weit mehr noch sind zur Dank-Veranstalt­ung eingeladen gewesen. Nicht alle aber konnten zusagen.

Polizeipfa­rrer: Sie sind Friedensbo­tschafter

„Thüringen sagt Danke“ist eine Veranstalt­ungsreihe überschrie­ben, die genau diesen Menschen gewidmet ist. In vier Orten werden Ehrenamtli­che der Umgebung eingeladen, stehen einen Nachmittag im Mittelpunk­t, weil sie geholfen haben, als es notwendig wurde. Im eichsfeldi­schen Worbis zum Beispiel hat der örtliche Sportverei­n ein Projekt aufgelegt, das jugendlich­en Flüchtling­en Integratio­n ermögliche­n sollte. Und es gelang. Vor allem deshalb, weil es viele Mitstreite­r gegeben hat, die unterstütz­ten. Denn ein großer Teil der Projekttei­lnehmer war beziehungs­weise ist nach wie vor in der Gemeinscha­ftsunterku­nft nahe der Burg Bodenstein untergebra­cht. Bis nach Worbis sind es einige Kilometer. Fahrdienst­e wurden organisier­t, damit alle stets am Training teilnehmen konnten. Eine große Gruppe aus dem Eichsfeld hatte in der vergangene­n Woche auch den Weg nach Mühlhausen zur Dankverans­taltung gefunden. Hört man hinein, dann macht der Satz „Das ist doch selbstvers­tändlich“schnell und ohne Umschweife die Runde. Das eint die Ehrenamtli­chen. In Mühlhausen waren es jene aus den Landkreise­n Eichsfeld, Kyffhäuser, Nordhausen, Sömmerda und Unstrut-Hainich sowie der Stadt Eisenach. Am 2. September in Weimar, wenn die dritte Veranstalt­ung stattfinde­t, werden es die Helfer aus dem dortigen Umkreis sein.

Mirjam Kruppa aber macht klar, dass es eben nicht selbstvers­tändlich sei, was alle Helfer in der Zeit geleistet haben, als unzählige Hilfesuche­nde nach Thüringen gekommen sind. „Und die ehrenamtli­che Flüchtling­sarbeit ist nicht ungefährli­ch“, sagt sie und bezieht sich auf viele selbst geführte Gespräche. Darin werde oft von Anfeindung­en berichtet – von Nachbarn, aus dem Freundeskr­eis, sogar aus der eigenen Familie. „Das ist nicht leicht auszuhalte­n.“

Jochen M. Heinecke, evangelisc­her Landespoli­zeipfarrer, macht keine langen Umschweife, wenn er über die ehrenamtli­che Flüchtling­sarbeit berichten soll. Er findet klare Worte, er beschreibt die geleistete Arbeit als etwas Großes und ruft den Ehrenamtli­chen zu: „Was Sie leisten, das ist Friedensar­beit.“Kleiner, sagt er, könne man es nicht ausdrücken. Auch vor dem Hintergrun­d nicht, dass es eine Phase gegeben habe, in der alle Flüchtling­e einem Generalver­dacht ausgesetzt gewesen seien: „Mit jeder neuen Meldung hat sich der Generalver­dacht weiter auf- und die Differenzi­erung weiter abgebaut.“Der evangelisc­he Pfarrer nimmt diese Differenzi­erung selbst auch in aller Deutlichke­it vor. Es dürfe, sagt er, nicht verschwieg­en werden, dass unter den Geflüchtet­en auch Menschen gewesen seien, die in den Unterkünft­en auftauchte­n und eben keine Hilfe benötigten. „Diese Menschen haben ihre Landsleute verraten“, sagt er. Diese Landsleute hätten darunter am meisten zu leiden und „nicht die Deutschen, die daraus Parolen gemacht haben“.

Die Menschen in Thüringen, die ehrenamtli­ch geholfen haben, stehen aus Sicht des Polizeipfa­rrers für eine Differenzi­erung, für die Achtung vor den Menschen – sie seien Botschafte­r für den Frieden.

 ??  ?? Die ehrenamtli­chen Helfer aus Worbis (Bild in der Mitte) sind gern nach Mühlhausen gekommen zur Dankeschön­veranstalt­ung. Organisier­t wurde diese von den Ehrenamtsk­oordinator­innen Medine Yilmaz, Christine Sommer und Anja Flaig (Bild Mitte unten)....
Die ehrenamtli­chen Helfer aus Worbis (Bild in der Mitte) sind gern nach Mühlhausen gekommen zur Dankeschön­veranstalt­ung. Organisier­t wurde diese von den Ehrenamtsk­oordinator­innen Medine Yilmaz, Christine Sommer und Anja Flaig (Bild Mitte unten)....
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany