Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer haben in Thüringen eine Krise verhindert
Die Thüringer Migrationsbeauftragte Mirjam Kruppa weiß, dass ohne die Engagierten vieles nicht möglich gewesen wäre – Dankveranstaltungen an vier Orten
Die Krise liegt schon eineinhalb Jahre zurück. Krise? Mit diesem Wort können viele Thüringer wenig anfangen, verwendet man es im Zusammenhang mit den Tausenden Menschen, die ab Spätsommer 2015 auch in Thüringen Zuflucht gesucht haben. Unzählige ehrenamtliche Helfer haben angefasst, wo es notwendig wurde. Jetzt, eineinhalb Jahre danach, ist die Zeit gekommen, Danke zu sagen.
Mirjam Kruppa managt für den Freistaat Thüringen viele Themen rund um Asyl und Einwanderung sowie Flucht. Die Migrationsbeauftragte des Freistaates weiß: Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer im Spätsommer 2015 hätte es auch in Thüringen zumindest partiell eine tatsächliche Krise gegeben. Während sich die Leitung des Migrationsministeriums vor allem darum bemühen musste, schnell Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, befasste sich die Migrationsbeauftragte mit den Menschen, die nach Thüringen gekommen sind. Was haben sie erlebt? Warum sind sie geflohen? Welche Bedürfnisse haben sie? All das bestimmt die Arbeit der Migrationsbeauftragten und ihrer Mitarbeiterinnen. Dazu gehören die Ehrenamtskoordinatorinnen Anja Flaig, Medine Yilmaz und Christine Sommer. Und Tausende, die in Thüringen angepackt haben, als ihre Hilfe gebraucht wurde.
Mirjam Kruppa macht darüber hinaus deutlich: „Die Landesregierung weiß darum, wie wichtig Ihre Arbeit ist.“200 Menschen sitzen in Mühlhausen im Saal. Weit mehr noch sind zur Dank-Veranstaltung eingeladen gewesen. Nicht alle aber konnten zusagen.
Polizeipfarrer: Sie sind Friedensbotschafter
„Thüringen sagt Danke“ist eine Veranstaltungsreihe überschrieben, die genau diesen Menschen gewidmet ist. In vier Orten werden Ehrenamtliche der Umgebung eingeladen, stehen einen Nachmittag im Mittelpunkt, weil sie geholfen haben, als es notwendig wurde. Im eichsfeldischen Worbis zum Beispiel hat der örtliche Sportverein ein Projekt aufgelegt, das jugendlichen Flüchtlingen Integration ermöglichen sollte. Und es gelang. Vor allem deshalb, weil es viele Mitstreiter gegeben hat, die unterstützten. Denn ein großer Teil der Projektteilnehmer war beziehungsweise ist nach wie vor in der Gemeinschaftsunterkunft nahe der Burg Bodenstein untergebracht. Bis nach Worbis sind es einige Kilometer. Fahrdienste wurden organisiert, damit alle stets am Training teilnehmen konnten. Eine große Gruppe aus dem Eichsfeld hatte in der vergangenen Woche auch den Weg nach Mühlhausen zur Dankveranstaltung gefunden. Hört man hinein, dann macht der Satz „Das ist doch selbstverständlich“schnell und ohne Umschweife die Runde. Das eint die Ehrenamtlichen. In Mühlhausen waren es jene aus den Landkreisen Eichsfeld, Kyffhäuser, Nordhausen, Sömmerda und Unstrut-Hainich sowie der Stadt Eisenach. Am 2. September in Weimar, wenn die dritte Veranstaltung stattfindet, werden es die Helfer aus dem dortigen Umkreis sein.
Mirjam Kruppa aber macht klar, dass es eben nicht selbstverständlich sei, was alle Helfer in der Zeit geleistet haben, als unzählige Hilfesuchende nach Thüringen gekommen sind. „Und die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit ist nicht ungefährlich“, sagt sie und bezieht sich auf viele selbst geführte Gespräche. Darin werde oft von Anfeindungen berichtet – von Nachbarn, aus dem Freundeskreis, sogar aus der eigenen Familie. „Das ist nicht leicht auszuhalten.“
Jochen M. Heinecke, evangelischer Landespolizeipfarrer, macht keine langen Umschweife, wenn er über die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit berichten soll. Er findet klare Worte, er beschreibt die geleistete Arbeit als etwas Großes und ruft den Ehrenamtlichen zu: „Was Sie leisten, das ist Friedensarbeit.“Kleiner, sagt er, könne man es nicht ausdrücken. Auch vor dem Hintergrund nicht, dass es eine Phase gegeben habe, in der alle Flüchtlinge einem Generalverdacht ausgesetzt gewesen seien: „Mit jeder neuen Meldung hat sich der Generalverdacht weiter auf- und die Differenzierung weiter abgebaut.“Der evangelische Pfarrer nimmt diese Differenzierung selbst auch in aller Deutlichkeit vor. Es dürfe, sagt er, nicht verschwiegen werden, dass unter den Geflüchteten auch Menschen gewesen seien, die in den Unterkünften auftauchten und eben keine Hilfe benötigten. „Diese Menschen haben ihre Landsleute verraten“, sagt er. Diese Landsleute hätten darunter am meisten zu leiden und „nicht die Deutschen, die daraus Parolen gemacht haben“.
Die Menschen in Thüringen, die ehrenamtlich geholfen haben, stehen aus Sicht des Polizeipfarrers für eine Differenzierung, für die Achtung vor den Menschen – sie seien Botschafter für den Frieden.