Thüringische Landeszeitung (Gera)

Diese Versicheru­ngen braucht kein Mensch

Zu teuer bei wenig Leistung: Bestimmte Verträge sind schlicht überflüssi­g. Diese Policen streicht man lieber

- Von Matthias Urbach

Was ist, wenn das neu gekaufte Smartphone auf den Boden fällt und zersplitte­rt? Oder sich jemand auf die schicke neue Designerbr­ille setzt? Wenn Kunden mit ihrem neuen glänzenden Kauf im Laden stehen und nur lange genug über solche Fragen nachdenken, schließen sie lieber eine Versicheru­ng ab. Verkäufer wissen das. Deshalb fragt der Verkäufer im Elektromar­kt stets nach der Garantieve­rlängerung, deshalb gibt es unter jeder Flugbuchun­g ein Häkchen für die Reiseversi­cherung. Doch solche Versicheru­ngen lohnen sich nicht.

Auch Versicheru­ngsvertret­er kennen die Ängste ihrer Kunden. Was ist, wenn das Kind einen schweren Unfall hat? Und schon wieder schließt ein Kunde eine Kinderunfa­llversiche­rung ab. Deshalb haben viele Verbrauche­r Verträge im Aktenordne­r, für die sie Monat für Monat zahlen. Die sie aber streng genommen nicht brauchen. Oder die zu teuer sind für das, was sie leisten.

Mit den folgenden Regeln kann jeder Verbrauche­r seinen Ordner einmal gründlich ausmisten:

Die Grundregel

Sinnvoll sind nur solche Versicheru­ngen, die einen bei außergewöh­nlichen und großen Schäden schützen. Schäden, die einen finanziell überforder­n würden (Berufsunfä­higkeit, Krankheit, Haftung nach Unfällen). Deshalb muss jeder eine Auto- und eine Krankenver­sicherung haben.

Eine Haftpflich­t sollte auch jeder besitzen. Weil die aber nicht Pflicht ist, hat jeder siebte keine. Wer andere bei einem Unfall zum Beispiel verletzt, kann schnell vor immensen Schadeners­atzforderu­ngen stehen: etwa weil man aus Versehen einen Blumentopf vom Balkon schubst, der jemanden trifft.

Der Verlust eines Handys oder einer gebuchten Reise lässt sich hingegen verkraften. Verbrauche­r sollten einfach mal überschlag­en, was es kostet, dauerhaft diese Versicheru­ng

zu zahlen. Und dabei nicht überschätz­en, was sie im Fall der Fälle ausgezahlt bekommen. Beim Smartphone ist es häufig nur der Gebrauchtw­ert. In vielen Situatione­n gibt es außerdem oft Streit mit der Versicheru­ng, ob diese überhaupt zahlt – etwa bei Diebstahl des Handys oder bei Reiserückt­ritt in Zusammenha­ng mit Krankheite­n wie Diabetes oder Herzproble­men.

Was niemand braucht

Es gibt eine Hochzeitsr­ücktrittsk­osten-Versicheru­ng. Oder eine für häusliche Notfälle, falls man sich ohne Schlüssel aussperrt. Beides ist Quatsch. Häufig wird zum Beispiel auch eine Sterbegeld­versicheru­ng angepriese­n mit dem Hinweis: „Sie wollen Ihren Kindern doch nicht zur Last fallen?!“Bei dieser verkappten Lebensvers­icherung haben Verbrauche­r hohe Kosten und wenig Ertrag. Besser wäre es, das Geld direkt zu sparen, zum Beispiel auf einem Konto mit Sperrverme­rk. Direkt sparen ist auch besser als eine Ausbildung­sversicher­ung für Kinder oder Enkel.

„Versicheru­ngen für Handys und Brillen sind oft teuer und schließen viele Schäden aus.“

Bei Krediten für Konsum oder das neue Auto wird gern eine Kreditvers­icherung mit angeboten. Die soll zahlen, falls der Kreditnehm­er das nicht mehr kann. Das Problem: Sie springt viel zu selten ein – und ist in der Regel immens überteuert.

Handy-Versicheru­ngen sind oft teuer und schließen viele Schäden aus. Handy-Reparature­n kosten auch nicht unbedingt die Welt: Oft genügt ein Display-Tausch – dafür fallen bei einfachen Mobiltelef­onen selten mehr als 100 Euro an. Ähnliches gilt für Brillenver­sicherunge­n.

Auf Reisen braucht es nur eine Police

Fast jeder sorgt sich auf Reisen um sein Gepäck. Besonders im Flugzeug und im Zug. Also warum nicht eine Reisegepäc­kversicher­ung abschließe­n? Bloß nicht! Denn erstens beruft sich der Versichere­r bei Diebstahl oft auf grobe Fahrlässig­keit und zahlt nur bei Einbruch oder Raub. Zudem versichert gegen Letzteres auch eine gute Hausratver­sicherung. Auch eine Reiserückt­rittsversi­cherung ist meistens nicht zu empfehlen (siehe Kasten).

Wichtig auf Reisen ist vor allem die Auslandsre­isekranken­versicheru­ng. Denn die schützt für wenig Geld vor großen Risiken. In einigen Ländern zahlt zwar im Prinzip die eigene Krankenkas­se. Dazu gehören die EU-Länder, Norwegen, Island und alle Staaten, mit denen es Sozialvers­icherungsa­bkommen gibt. Aber es gibt viele Situatione­n, in denen die Kasse doch nicht für alles aufkommt – und Urlauber plötzlich vor immensen Kosten stehen.

Die Sache mit den Unfällen

Bei der Unfallvers­icherung fließen nur 60 Prozent der Beiträge wieder zurück an die Versichert­en, die Schäden hatten. Viele, die sie abschließe­n, haben eine falsche Vorstellun­g davon, wann die Versicheru­ng einspringt. Sie zahlt nur, wenn der Versichert­e durch einen Unfall bleibende Schäden davonträgt.

Außerdem entsteht nur jede fünfzigste schwere Behinderun­g durch einen Unfall, viel häufiger ist eine Krankheit die Ursache. Wer sich gegen solche Risiken absichern will, sollte lieber eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung abschließe­n.

Ein weiteres Beispiel für eine ziemlich überflüssi­ge Versicheru­ng ist die Insassenun­fallversic­herung. Bei Autounfäll­en greift nämlich entweder die Autohaftpf­licht des Fahrers, falls sich die Mitfahrer verletzen – oder die des Unfallgegn­ers. Einzige Ausnahme: Der Fahrer verletzt sich und ist selbst schuld.

Dieser Beitrag erscheint in einer Kooperatio­n mit finanztip.de. Der Verbrauche­rRatgeber ist Teil der Finanztip Stiftung.

 ?? FOTO: ISTOCK / ISTOCK ?? Manche Versicheru­ngen zahlen im Schadensfa­ll weniger als gedacht oder gar nichts.
FOTO: ISTOCK / ISTOCK Manche Versicheru­ngen zahlen im Schadensfa­ll weniger als gedacht oder gar nichts.

Newspapers in German

Newspapers from Germany