Thüringische Landeszeitung (Gera)
Beate Zschäpe droht lebenslange Haft
Plädoyers im NSUProzess haben begonnen – „Die heftigsten und infamsten Terroranschläge seit der RAF“
MÜNCHEN/JENA. Nach mehr als vier Jahren NSU-Prozess fordert die Anklage eine Verurteilung von Beate Zschäpe als Mittäterin an allen Morden und Anschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“. Die Bundesanwaltschaft sieht die Vorwürfe gegen sie und die vier Mitangeklagten bestätigt. Die Verbrechen des NSU seien die „heftigsten und infamsten“Terroranschläge seit denen der linksextremen Rote Armee Fraktion (RAF), sagte Bundesanwalt Herbert Diemer zum Beginn der Plädoyers.
Das Strafmaß will Diemer erst am Ende des Plädoyers fordern, das 22 Stunden dauern soll, verteilt auf mehrere Tage. Zschäpe droht lebenslange Haft. Mit einem Urteil des Oberlandesgerichts München wird in einigen Monaten gerechnet.
Diemer bezeichnete Zschäpe als Mitgründerin und Mitglied einer terroristischen Vereinigung. Sie habe mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Menschen türkischer oder griechischer Herkunft ermordet, eine Polizistin getötet, einen Bombenanschlag auf das Geschäft einer iranischen Familie in Köln verübt und ebenfalls in Köln eine Nagelbombe mit großer Sprengkraft zur Explosion gebracht. Darüber hinaus hätten die Drei schwere Raubüberfälle begangen und nach dem Tod der beiden Freunde habe Zschäpe die letzte gemeinsame Wohnung des NSU in Brand gesteckt. Böhnhardt und Mundlos hatten sich umgebracht, um einer Festnahme zu entgehen.
Die Anklage argumentiert, Zschäpe sei entgegen ihrer eigenen Aussage gleichberechtigtes Mitglied des NSU gewesen. „Motiv war rechtsextremistische Ideologie“, sagte Diemer. Die Bundesrepublik habe in ihren Grundfesten erschüttert werden sollen. Der NSU habe versucht, einem „widerwärtigen Naziregime den Boden zu bereiten“. Sämtliche Opfer seien „willkürlich herausgegriffen“worden.
Oberstaatsanwältin Anette Greger ergänzte, Mundlos und Böhnhardt hätten die Ziele ausgekundschaftet und die Anschläge ausgeführt. Zschäpes Aufgabe sei es gewesen, sich gegenüber den Nachbarn Alibis auszudenken, das Geld zu verwalten, für Telefon-Sim-Karten, Papiere und Waffen zu sorgen. Außerdem habe Zschäpe die Taten dokumentiert.
Nach dem Willen des Gerichts hätten die Plädoyers schon am vergangenen Mittwoch beginnen sollen. Juristisches Hickhack über eine Tonbandaufnahme der Schlussvorträge verhinderte dies. Letztlich verzichteten die Verteidiger am Dienstag auf neue Befangenheitsanträge, so dass die Plädoyers beginnen konnten.
Vor der Sommerpause gibt es noch vier Verhandlungstage, einen davon heute, Fortsetzung ist dann Ende August.