Thüringische Landeszeitung (Gera)
Massive Probleme der Bildungspolitik jetzt anpacken
ExRessortchef Matschie von der SPD: Schaden durch lange Hängepartie um eine schwer angeschlagene Ministerin
Es ist es kein Wunder, dass die Gerüchteküche um einen möglichen Nachfolger für die erkrankte Ministerin Birgit Klaubert brodelt. Ob tatsächlich Helmut Holter den Chefsessel füllen wird – an diesem Entscheidungsprozess sind wir als Parlamentarier nicht beteiligt. Fest steht aber: Diese lange Hängepartie um eine schwer angeschlagene Ministerin war nicht nur unnötig, sie schadet vor allem den Bildungseinrichtungen. Denn die Probleme in der Thüringer Bildungspolitik müssen dringend angepackt werden.
Der Unterrichtsausfall an Thüringer Schulen muss mit allen verfügbaren Möglichkeiten angegangen werden. Inzwischen ist der Druck bei diesem Thema sehr groß. Das weiß ich aus vielen Gesprächen und Briefen von Eltern, die mich erreichen. Das zeigen uns aber auch die öffentlichen Proteste und die wiederholten Warnungen der Gewerk schaften. Hier ist entschlossenes Handeln nötig. Dazu gehört auch, die Führungsfrage im Bildungsministerium nun endlich abschließend zu klären.
Vor allem aber ist es notwendig, die Einstellungsmöglichkeiten für Lehrer weiter zu verbessern. Von den für das kommende Jahr vorgesehenen 900 Stellen im Schulbereich werden 430 benötigt, um schon jetzt im Schuldienst befindliche Lehrer und DaZLehrkräfte zu entfristen. Weitere Stellen dienen der Entlastung an den Grundschulhorten und der Stärkung der Schulämter. Nur rund 300 Stellen bleiben so für echte Neueinstellungen von Pädagogen übrig.
Das Stellenkonzept der Landesregierung muss auch mit Blick auf aktuell weiter steigende Schülerzahlen für die kommenden Jahre noch einmal überarbeitet werden.
Damit Thüringen die benötigten Fachlehrer gewinnen kann, sind neben der Möglichkeit, Lehrer zu verbeamten, weitere
„Effizienz ist eine Strategie, die die Thüringer Bildungspolitik dringend nötig hat.“
TLZGastautor Christoph Matschie war einst Thüringer SPDChef und Bildungsminister; derzeit ist er Landtagsmitglied. Er will jetzt wieder in den Bundestag einziehen.
Anreize zu entwickeln. Ein Schritt könnte dabei sein, den Schulen selbst die Stellenausschreibung und Auswahl von Bewerbern zu überlassen. Dann können Schulen durch persönliche Ansprache mit ihrem speziellen Profil oder mit einem be sonders interessanten LehrerTeam um die dringend benötigten Fachlehrer werben.
Auch ein effizienterer Einsatz der vorhandenen Lehrer könnte den Unterrichtsausfall mildern.
Dazu braucht es endlich eine funktionierende Personalplanungssoftware, die es möglich macht, Schwachstellen in der Personaldecke schneller zu identifizieren. Die im Thüringer Schulwesen zur Personalplanung genutzte Software erlaubt zurzeit weder auf Schulamtsnoch auf Landesebene einen konkreten Überblick darüber, welcher Lehrer mit welchen Aufgaben und Stellenanteilen an welcher Schule im Einsatz ist.
Das pauschale InFrageStellen kleiner Schulstandorte im ländlichen Raum, wie es immer mal wieder vorgetragen wird, bietet aus meiner Sicht keine adäquate Lösung. Die Aufhebung einer kleinen Schule muss sehr gut überlegt und im Einzelfall entschieden werden, da mit einem solchen Schritt immer auch ein Verlust von Bildungs infrastruktur und gesellschaftlichem Miteinander in der Kommune, sowie längere Schulwege für die betroffenen Schülerinnen und Schüler verbunden sind. Besser wäre es an dieser Stelle, mehrere kleine Schulen zu Schulsprengeln zusammenzuschließen. In einer solchen Zusammenarbeit kann Personal optimaler eingesetzt und es können trotzdem auch kleine Schulen vor Ort erhalten werden.
Daneben könnten moderne pädagogische Konzepte den Personaleinsatz verbessern.
Ein Drittel aller Grundschulen arbeitet schon heute mit altersgemischten Klassen, um die Kinder wirklich individuell zu fördern. Die Landesregierung sollte die kleinen Grundschulen auf einem solchen Weg unterstützen. Auch das hilft, Schulstandorte zu erhalten.
All diese Maßnahmen sind vor allem auf Effizienz aufgebaut – eine Strategie, die die Thüringer Bildungspolitik dringend nötig hat.