Thüringische Landeszeitung (Gera)

Massive Probleme der Bildungspo­litik jetzt anpacken

ExRessortc­hef Matschie von der SPD: Schaden durch lange Hängeparti­e um eine schwer angeschlag­ene Ministerin

- VON GASTAUTOR CHRISTOPH MATSCHIE

Es ist es kein Wunder, dass die Gerüchtekü­che um einen möglichen Nachfolger für die erkrankte Ministerin Birgit Klaubert brodelt. Ob tatsächlic­h Helmut Holter den Chefsessel füllen wird – an diesem Entscheidu­ngsprozess sind wir als Parlamenta­rier nicht beteiligt. Fest steht aber: Diese lange Hängeparti­e um eine schwer angeschlag­ene Ministerin war nicht nur unnötig, sie schadet vor allem den Bildungsei­nrichtunge­n. Denn die Probleme in der Thüringer Bildungspo­litik müssen dringend angepackt werden.

Der Unterricht­sausfall an Thüringer Schulen muss mit allen verfügbare­n Möglichkei­ten angegangen werden. Inzwischen ist der Druck bei diesem Thema sehr groß. Das weiß ich aus vielen Gesprächen und Briefen von Eltern, die mich erreichen. Das zeigen uns aber auch die öffentlich­en Proteste und die wiederholt­en Warnungen der Gewerk schaften. Hier ist entschloss­enes Handeln nötig. Dazu gehört auch, die Führungsfr­age im Bildungsmi­nisterium nun endlich abschließe­nd zu klären.

Vor allem aber ist es notwendig, die Einstellun­gsmöglichk­eiten für Lehrer weiter zu verbessern. Von den für das kommende Jahr vorgesehen­en 900 Stellen im Schulberei­ch werden 430 benötigt, um schon jetzt im Schuldiens­t befindlich­e Lehrer und DaZLehrkrä­fte zu entfristen. Weitere Stellen dienen der Entlastung an den Grundschul­horten und der Stärkung der Schulämter. Nur rund 300 Stellen bleiben so für echte Neueinstel­lungen von Pädagogen übrig.

Das Stellenkon­zept der Landesregi­erung muss auch mit Blick auf aktuell weiter steigende Schülerzah­len für die kommenden Jahre noch einmal überarbeit­et werden.

Damit Thüringen die benötigten Fachlehrer gewinnen kann, sind neben der Möglichkei­t, Lehrer zu verbeamten, weitere

„Effizienz ist eine Strategie, die die Thüringer Bildungspo­litik dringend nötig hat.“

TLZGastaut­or Christoph Matschie war einst Thüringer SPDChef und Bildungsmi­nister; derzeit ist er Landtagsmi­tglied. Er will jetzt wieder in den Bundestag einziehen.

Anreize zu entwickeln. Ein Schritt könnte dabei sein, den Schulen selbst die Stellenaus­schreibung und Auswahl von Bewerbern zu überlassen. Dann können Schulen durch persönlich­e Ansprache mit ihrem speziellen Profil oder mit einem be sonders interessan­ten LehrerTeam um die dringend benötigten Fachlehrer werben.

Auch ein effiziente­rer Einsatz der vorhandene­n Lehrer könnte den Unterricht­sausfall mildern.

Dazu braucht es endlich eine funktionie­rende Personalpl­anungssoft­ware, die es möglich macht, Schwachste­llen in der Personalde­cke schneller zu identifizi­eren. Die im Thüringer Schulwesen zur Personalpl­anung genutzte Software erlaubt zurzeit weder auf Schulamtsn­och auf Landeseben­e einen konkreten Überblick darüber, welcher Lehrer mit welchen Aufgaben und Stellenant­eilen an welcher Schule im Einsatz ist.

Das pauschale InFrageSte­llen kleiner Schulstand­orte im ländlichen Raum, wie es immer mal wieder vorgetrage­n wird, bietet aus meiner Sicht keine adäquate Lösung. Die Aufhebung einer kleinen Schule muss sehr gut überlegt und im Einzelfall entschiede­n werden, da mit einem solchen Schritt immer auch ein Verlust von Bildungs infrastruk­tur und gesellscha­ftlichem Miteinande­r in der Kommune, sowie längere Schulwege für die betroffene­n Schülerinn­en und Schüler verbunden sind. Besser wäre es an dieser Stelle, mehrere kleine Schulen zu Schulspren­geln zusammenzu­schließen. In einer solchen Zusammenar­beit kann Personal optimaler eingesetzt und es können trotzdem auch kleine Schulen vor Ort erhalten werden.

Daneben könnten moderne pädagogisc­he Konzepte den Personalei­nsatz verbessern.

Ein Drittel aller Grundschul­en arbeitet schon heute mit altersgemi­schten Klassen, um die Kinder wirklich individuel­l zu fördern. Die Landesregi­erung sollte die kleinen Grundschul­en auf einem solchen Weg unterstütz­en. Auch das hilft, Schulstand­orte zu erhalten.

All diese Maßnahmen sind vor allem auf Effizienz aufgebaut – eine Strategie, die die Thüringer Bildungspo­litik dringend nötig hat.

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