Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Das Rätsel der Seepferdch­en

An der deutschen Nordseeküs­te werden immer wieder einige der kleinen Tiere entdeckt

- Stefanie Paul

Als die Ersten entdeckt wurden, staunten die Fachleute: Seepferdch­en! Und das an der deutschen Nordseeküs­te! Dort kommen diese Tiere eigentlich schon lange nicht mehr vor. Schnell war klar: Sie müssen angespült worden sein, etwa durch einen Sturm und heftige Strömung. So weit so gut.

Doch seit etwa vier Jahren werden immer mehr Seepferdch­en entdeckt. Im Winter, wenn die Stürme toben, aber genauso im Sommer, wenn das Meer eher ruhig ist. Es sind auch nicht nur Babys und Jungtiere, die an den Strand gespült werden. Fischer finden auch immer mehr ausgewachs­ene Seepferdch­en. Daher staunen die Forschende­n mittlerwei­le nicht mehr bloß, sondern wollen wissen: Könnten sich an der deutschen Küste nach fast 100 Jahren womöglich wieder Seepferdch­en angesiedel­t haben?

„Woher die gefundenen Tiere ursprüngli­ch stammen, wissen wir relativ gut. Sie stammen aus dem englischen Kanal“, sagt der Forscher Hermann Neumann. Man sagt auch Ärmelkanal dazu, damit ist die Meerenge zwischen dem europäisch­en Festland und der Insel Groß

britannien gemeint. „Dort scheint es den Tieren ganz gut zu gehen“, erklärt der Experte. Es könnte sein, dass einige Tiere sozusagen ausgewande­rt sind, in einen neuen Lebensraum.

„Die spannende Frage ist, ob die Tiere auch hier bleiben, sich ansiedeln und vermehren“, sagt Hermann Neumann. Das würde die Fachleute vor ein weiteres Rätsel stellen. Seepferdch­en sind keine guten Schwimmer, sie müssen sich mit ihrem Schwanz irgendwo festkralle­n. Normalerwe­ise machen sie das

an Pflanzen, so wie zum Beispiel dem Seegras. Doch vor den deutschen Küsten wachsen nur noch wenige Seegraswie­sen.

Manche Fachleute vermuten deshalb, dass die Tiere woanders einen Platz gefunden haben, etwa im Beerentang. Das ist eine aus Asien eingeschle­ppte Algen-Art. Seit einigen Jahren breitet sie sich stärker in der Nordsee aus.

Eine anderer möglicher Ort sind die Windparks in der Nordsee. Die großen Pfähle der Windräder werden im Meeresbode­n verankert und

zur Sicherheit mit Steinen ummantelt. „Auf diese Weise entstehen künstliche Riffe. Dort könnten sich Seepferdch­en theoretisc­h auch ansiedeln“, erklärt der Fachmann. Außerdem darf in dem Gebiet nicht gefischt werden.

Um mehr herauszufi­nden, brauchen die Forschende­n Hilfe. Wenn man am Strand ein Seepferdch­en entdeckt, kann man es fotografie­ren und das Bild auf einer Internetse­ite hochladen. So wollen die Fachleute dem Rätsel auf die Spur kommen.

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FRISO GENTSCH / DPA Seepferdch­en gleiten durch ein Becken mit Wasser in einem Zoo.
 ?? PETER KUCHENBUCH-HANKEN / DPA ?? Zwei Seepferdch­en liegen in der Hand eines Naturschut­zwartes.
PETER KUCHENBUCH-HANKEN / DPA Zwei Seepferdch­en liegen in der Hand eines Naturschut­zwartes.

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