Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Vogelstimm­en im Morgenrot an Tagen der Pandemie

Friedemann Eichhorn über das ganz neue Violinkonz­ert Fazil Says, das er als Solist jetzt mit der Staatskape­lle in der Weimarhall­e musiziert

- Wolfgang Hirsch

Als Solist und Kammermusi­ker ist Friedemann Eichhorn (51), Violin-Professor an der Liszt-Hochschule, internatio­nal unterwegs. Nun aber steht ein „Heimspiel“in Weimar bevor: Aus seiner langen Zusammenar­beit mit dem Komponiste­n Fazil Say, aktuell Artist in Residence der Staatskape­lle, entstand ein brandneues Konzert, das diesen Sonntag und Montag unter dem Dirigat Christoph Eschenbach­s erst zum dritten Mal aufgeführt wird.

Fazil Say hat dieses Konzert für Sie geschriebe­n. Wie liegt’s in der Hand, was macht den Reiz aus?

Bei der Geburt eines neuen Werkes dabei zu sein, ist fantastisc­h! Erst recht beim Werk eines so inspiriert­en und kreativen Komponiste­n wie Fazil Say. Die rhythmisch­e Kraft des Konzerts, der Farbenreic­htum und die Einbeziehu­ng volkstümli­cher Elemente aus Orient und Okzident machen das Stück enorm attraktiv. Es liegt exzellent in der Hand und bringt die Geige zum Klingen – und ganz am Ende auch zum Verstummen. Fazil versteht sehr viel von Streichins­trumenten, er hat seit früher Jugend mit Geigern und Cellisten zusammenge­arbeitet. Wir waren auch zusammen auf Duo-Tournee und haben dabei seine zweite Violinsona­te uraufgefüh­rt. Die Kadenz

des Violinkonz­erts hat er mir danach quasi in die Finger geschriebe­n.

Der Untertitel heißt „Frühlingsm­orgen in den Quarantäne­tagen“. Beschreibe­n Sie bitte die Atmosphäre!

Es ist einerseits ein sehr sphärische­s Werk, in dem die Einsamkeit während der Pandemie aber auch das Frühlingse­rwachen am Morgen eingearbei­tet sind. Man hört im zentralen Mittelsatz vom Orchester improvisie­rte Vogelstimm­en und kann die Morgenröte vorm inneren Auge verbildlic­hen. Im Kontrast dazu stehen kraftvoll lebendige Tanzrhythm­en und vor allem der Jazz-Satz, den ich wie eine sehnsüchti­ge PartyErinn­erung

aus Vor-Pandemie-Zeiten empfinde.

Im Konzert-Schnipsel, den ich auf YouTube finde, höre ich Sie bei einem Tänzchen mit den Schlagzeug­ern…

Ja genau, das passiert meist. Fazils Musik ist so mitreißend – das erlebe ich jedes Mal neu. Schlagzeug ist für sein Werk eine ganz wichtige Basis.

Wie erklären Sie sich, dass Says Werke recht populären Status genießen?

Es ist immer hochemotio­nale Musik, Musik, die aus dem Herzen kommt und deswegen auch Herzen erreicht. Fazils Klänge transporti­eren Gefühle, die man nachempfin­den kann und auf die man sehr stark reagiert. Oft haben die Werke ein aktuelles Thema, wie beim Violinkonz­ert die Pandemie oder bei der zweiten Violinsona­te „Mount Ida“die Umweltzers­törung. Diese Themen sind auch direkt lautmaleri­sch umgesetzt und ergeben neue Klangwelte­n, die einen Sog entfachen.

Ist für Sie das Lampenfieb­er vorm Auftritt „zu Hause“größer?

Lampenfieb­er gehört immer dazu. Bei solchen Partnern wie Christoph Eschenbach und der Staatskape­lle vergesse ich das aber sofort!

Sonntag und Montag, 19.30 Uhr, Weimarhall­e. Tickets: 03643/755-334 oder www.nationalth­eater-weimar.de

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GUIDO WERNER Friedemann Eichhorn lehrt in Weimar.

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