Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Deutsche blicken ängstlich in die Zukunft
Kein Vertrauen in den Staat: Laut Studie ziehen sich Teile der Bevölkerung ins Private zurück
Steht ein neues Biedermeier bevor? Zwei Drittel der Deutschen blicken einer Studie zufolge ängstlich in die Zukunft. Mangelndes Vertrauen in Staat und Institutionen sowie die Angst vor gesellschaftlicher Spaltung forcieren demnach einen Rückzug ins Private. Schon im 19. Jahrhundert herrschte dieses Gefühl vor, als politische Mitsprache verboten war. Das Bürgertum flüchtete sich ins Häusliche. Doch es gibt auch einen Gegentrend: Bei einem Teil der Bevölkerung wächst demnach die Bereitschaft, allein oder mit Gleichgesinnten für eine lebenswerte Zu88 kunft tätig zu werden. Das sind Erkenntnisse einer repräsentativen und tiefenpsychologischen Untersuchung des Kölner Rheingold-Instituts in Zusammenarbeit mit der
Stiftung für Philosophie Identity Foundation in Düsseldorf.
Schwere Krisen hätten das Vertrauen in die Zukunft fundamental erschüttert, sagte Rheingold-Gründer Stephan Grünewald. Die größte Zukunftsangst betrifft demnach den Klimawandel mit seiner fortschreitenden Polarisierung und dem Auseinanderdriften der Gesellschaft. Das während der Coronaund Klimakrise erlebte Regierungshandeln sei als unzulänglich erlebt worden.
61 Prozent stimmen der Studie zufolge dem Satz zu „Deutschland steht vor einem Niedergang“,
Prozent der These „Durch Krisen wie Corona und den Klimawandel stehen uns drastische Veränderungen bevor“. Viele Bürgerinnen und Bürger befänden sich in einem Machbarkeitsdilemma: Einerseits würden sie die großen Zukunftsprobleme durchaus erkennen, könnten sich aber andererseits nicht vorstellen, wie sich diese bewältigen ließen. Als Folge entstünden Gruppierungen wie die „Tribalisten“, deren Aktionsradius in der Nachbarschaft oder im Verein ende, bis hin zu den „Missionierenden“, die sich zum Beispiel dem Veganismus verschrieben.