Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Das Leben der Kunstfigur­en

- Kontakt: g.sommer@tlz.de

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Früher hat es nicht als Lob gegolten, wenn einem Bühnenküns­tler nachgesagt wurde, er könne nur sich selber spielen. Manche sind zwar berühmt damit geworden, weil ihnen jemand Stücke quasi auf den Leib schrieb. Und oft wurden sie zu Serienheld­en – und diese Figuren waren in gewisser Weise eindimensi­onal.

Wenn nun aber jemand auf die Bühne tritt, um dort eine Kunstfigur darzustell­en, ist das eigentlich Teil einer größeren Kunst. Nun leben wir in einer Zeit der Oberflächl­ichkeit, in der es offenbar einer ganzen Reihe von Kulturbetr­achtenden schwer fällt, überhaupt anzuerkenn­en, dass es Bühnenküns­tler gibt, die nicht nur als sie selbst auftreten wollen.

Jeder kennt Unterhalte­r – so will ich sie mal nennen –, die tatsächlic­h ihre eigene Person zum Mittelpunk­t ihres komödianti­schen Schaffens gemacht haben. Wenn es dann aber ins Kabarettis­tische gehen sollte, darf das Publikum eigentlich erwarten, dass sich der Darsteller nicht selbst zeigen will, sondern in Gestalt einer Kunstfigur auch etwas zu sagen hat. Etwas Unsägliche­s womöglich. Etwas, was er oder sie so selbst nicht sagen würden. Oder doch? Etwas, das einen Denkanstoß liefern könnte. Oder zumindest ein Erschrecke­n darüber, dass es Leute gibt, die etwas auch von dieser ganz anderen Seite betrachten.

Das alles macht eigentlich den Reiz aus, sich ein Bühnenprog­ramm abseits der Klassiker anzuschaue­n – sei es nun im zeitgenöss­ischen Theater oder auf der Kabarettbü­hne. Womöglich ist ein Problem des Verwechsel­ns von Darsteller und Dargestell­tem der Versendung solcher Auftritte in unsozialen Schnipseln geschuldet, wo immer der Daumen der Masse rauf oder runter geht. Die Auseinande­rsetzung mit Provokatio­n braucht Räume. Der Bildschirm aber ist meist zu flach und produziert hohe Wellen, kaum Tiefgang.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany