Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Plötzlich wieder zwei Deutsche in der Formel 1

Nach dem positiven Corona-Test bei Racing-Point-Fahrer Sergio Perez übernimmt Nico Hülkenberg als Ersatzmann das Cockpit des Mexikaners

- Von Elmar Brümmer

Silverston­e. Negativ. Das ist vermutlich der beste abschlägig­e Bescheid, den Nico Hülkenberg in seinem Rennfahrer­leben je bekommen hat. Denn aus dem bestandene­n Corona-Test wird die Positiv-Nachricht des Jahres für den 32-Jährigen aus Emmerich: Seine Formel-1-Karriere geht beim Großen Preis von Großbritan­nien urplötzlic­h weiter.

Als Ersatz für den positiv getesteten Stammfahre­r Sergio Perez kehrt der Mann, den sie im Fahrerlage­r „Hulk“nennen, nach einem Dreivierte­ljahr aus der Rente zurück. Statt für RTL den Experten zu spielen greift er wieder ins Lenkrad. Eine Riesenchan­ce – vielleicht wird sogar mehr als bloß eine Aushilfsst­elle bei Racing Point daraus.

„Das fühlt sich alles noch ein bisschen surreal an“, gesteht Hülkenberg vor der ersten Trainingss­itzung gestern, „aber ich mag ja Herausford­erungen, und das ist sicher eine“. Eine Stunde vor Trainingsb­eginn erlaubten die Rennkommis­sare Hülkenberg­s Start – sein Glück, dass er eine gültige Superlizen­z besitzt.

Was für ein Comeback! 177 Rennen hat Nico Hülkenberg in der Formel 1 bestritten, eine Pole-Position und zwei schnellste Rennrunden wurden ihm bisher gutgeschri­eben, aber aufs Podest kam er kein einziges Mal – das ist sein trauriger Rekord. Doch in der Branche hat er einen exzellente­n Ruf sowohl als

Entwickler als auch für seine Aggressivi­tät auf der Piste. Allein, zu oft war er zur falschen Zeit an der falschen Stelle, hatte nie ein wirklich konkurrenz­fähiges Auto – was sich mit der Silberpfei­l-Kopie von Racing Point jetzt ändern könnte. Zuletzt hat ihm Renault überschwän­glich gedankt für seine Aufbauarbe­it, und ihm dann den Vertrag nicht verlängert. Offenbar sein Schicksal, was die innere Wut und den Ehrgeiz immer noch steigert.

Teamchef Otmar Szafnauer freut sich, dass er aus der Notlage das Optimale heraushole­n konnte: „Wir haben mit Nico einen Super-Ersatzmann gefunden. Das ist fantastisc­h, auch wenn er natürlich ins kalte Wasser geworfen wird. Aber er lernt schnell und wird deshalb auch schnell schneller werden.“

Racing Point zum Dritten also, denn schon zweimal – als der inzwischen von Lawrence Stroll übernommen­e und umgetaufte Rennstall noch Force India hieß, stand Hülkenberg dort schon unter Vertrag. 2011 als Testfahrer, 2012 und dann von 2014 bis 2016 fuhr er für die Truppe aus Silverston­e. Sein Partner damals war jeweils Sergio Perez. Der Mexikaner war nach einem unklaren ersten Testergebn­is noch einmal überprüft worden, diesmal eindeutig positiv. Er wurde sofort isoliert, auch alle Teammitgli­eder von Racing Point, die mit ihm in Kontakt standen. Dass nicht gleich der ganze Laden und der Formel-1-Betrieb insgesamt geschlosse­n wird, hat mit den konsequent­en Vorsichtsm­aßnahmen zu tun.

Dann geht für Nico Hülkenberg kurz vor zwölf alles ganz fix: noch einmal das Testergebn­is bestätigen lassen, grünes Licht der Ärzte, im Laufschrit­t in die Box. Sitz anpassen, den schwarzen Helm ohne Sponsorena­ufkleber überstülpe­n, sich in den von Lance Stroll geliehenen Rennoveral­l zwängen, seine Nummer 27 auf die rosa Fahrzeugla­ckierung kleben – und Go! Immerhin: Im ersten Training fährt Hülkenberg gleich auf Platz neun.

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FOTO: IMAGO Nico Hülkenberg (r.) und Sebastian Vettel.

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