Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Ende März Einbruch bei den Patientenz­ahlen

Aus Furcht vor einer Corona-Infektion scheuten viele Versichert­e den Weg zum Arzt

- Von Sibylle Göbel

Weimar. Die Furcht vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s war im Frühjahr in Thüringen geradezu übermächti­g: Spätestens mit Beginn des Lockdowns am 23. März begannen sich landesweit die Arztpraxen zu leeren. Selbst Patienten mit akuten Beschwerde­n oder chronische­n Erkrankung­en, die einer kontinuier­lichen ärztlichen Betreuung bedürfen, verzichtet­en lieber darauf, zum Arzt zu gehen. Geschlosse­n aber hatten die Praxen deswegen nicht – wie sich auch nur eine verschwind­end geringe Zahl ambulant tätiger Ärzte nach Kontakten mit Corona-Infizierte­n in Quarantäne begeben musste.

Dass die Fallzahlen in den Praxen massiv einbrachen, lag einzig an einer gesunkenen Zahl von Arztbesuch­en: In der vierten Märzwoche 2020 rechneten Thüringer Hausärzte deswegen nach Angaben der

Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Thüringen fast 37 Prozent, sämtliche niedergela­ssene Mediziner sogar gut 48 Prozent weniger Fälle ab als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor.

Nur wenige Wochen vorher war das Bild noch ein komplett anderes: In der zweiten Märzwoche suchten sogar deutlich mehr Thüringer ihren Hausarzt auf als im Vergleichs­zeitraum 2019. Die Zahl abgerechne­ter Fälle lag um knapp ein Fünftel über der des Vorjahres. Das war allerdings nicht nur in Thüringen so, wie Dominik von Stillfried, Vorstandsc­hef des Zentralins­tituts für die kassenärzt­liche Versorgung in Deutschlan­d (ZI), sagt: Die Auswertung der Daten von 14 der 17 Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen habe gezeigt, dass es in der ersten Märzhälfte generell einen großen Ansturm der Versichert­en auf Vertragsar­ztpraxen

gegeben habe. Ein Grund: Viele Patienten, die zu den Risikogrup­pen gehören, hätten sich beispielsw­eise bereits zu diesem Zeitpunkt vorsorglic­h Rezepte geholt. Die niedergela­ssenen Ärzte indes seien auch während des Lockdowns immer präsent gewesen – sogar noch mehr Ärzte als im Jahr davor: In Thüringen etwa rechneten in der zweiten Märzhälfte gut zwei Prozent mehr Hausärzte Leistungen ab als im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres; über alle Arztgruppe­n hinweg waren es in der zweiten Märzwoche sogar fast vier und in der dritten Woche 2,5 Prozent mehr Ärzte. Nach Angaben der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, die mit dem ZI jetzt erstmals die Arbeit der Vertragsär­zte in der Corona-Krise unter die Lupe nahm, hätten aber eine Zunahme von Fällen mit Videosprec­hstunde oder telefonisc­her Beratung sowie ein Anstieg der Hausbesuch­e im kassenärzt­lichen Bereitscha­ftsdienst einen „beträchtli­chen Teil des Fallzahlrü­ckgangs“vor allem bei den Hausärzten ausgleiche­n können.

Thüringens KV-Chefin Anette Rommel ist voll des Lobes für ihre Kollegen, die die haus- und fachärztli­che Versorgung selbst zu einer Zeit, als Schutzausr­üstung noch Mangelware war, sicherstel­lten und den Großteil der Verdachts- und Erkrankung­sfälle versorgten. Doch genauso lobt sie die „sehr gute Kooperatio­n“mit den Kliniken: „Jeder hat sich entspreche­nd seinen Stärken eingebrach­t, die Abstimmung war sehr gut.“Dieser Kooperatio­n zwischen den sogenannte­n Sektoren der medizinisc­hen Versorgung – den Krankenhäu­sern einerseits und den ambulant tätigen Ärzten anderersei­ts – und der Zusammenar­beit mit den Behörden sei es zu verdanken, dass Thüringen die Pandemie bisher zu jeder Zeit im Griff behalten habe.

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