Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
28 Millionen Euro Soforthilfe für Studenten
Bislang liegen 150.000 Anträge vor
Berlin. Die Soforthilfe für in finanzielle Nöte geratene Studenten wird stark nachgefragt. Von den 100 Millionen Euro Überbrückungshilfe sind laut Bundesbildungsministerium bereits über 28 Millionen Euro abgerufen worden. „Diese Zahlen zeigen, dass die Überbrückungshilfe gut angenommen wird und ein wichtiger Baustein ist, um Studierende in Notlagen in dieser herausfordernden Zeit zu unterstützen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär Michael Meister dieser Zeitung. Laut Deutschem Studentenwerk steigt das Verhältnis der Bewilligungen. Zum Stichtag 31. Juli lagen 150.000 Anträge vor, 121.000 Anträge waren bearbeitet. Davon wurden 55 Prozent bewilligt, 40 Prozent abgelehnt, bei fünf Prozent laufen noch Nachfragen.
Berlin. Die Corona-Krise hat die Göttinger Studentin Nefel Ceylen kalt erwischt. Um ihr Lehramtsstudium zu finanzieren, jobbte Ceylen neben dem Studium in der Gastronomie. Anfang April wollte sie eine neue Stelle antreten, doch die Pandemie durchkreuzte ihre Pläne. Die Restaurants waren geschlossen, aus dem neuen Job wurde nichts. „Die Kosten für Lebensmittel und Miete liefen aber weiter. Dann hatte ich mitten in der Krise meinen 25. Geburtstag und musste mich ab diesem Zeitpunkt selbst krankenversichern“, berichtet Ceylen. Auch die Möglichkeiten ihrer Eltern, sie und ihre drei Geschwister finanziell zu unterstützen, waren begrenzt. „Ich wollte auf keinen Fall, dass sich meine Eltern für mein Studium verschulden müssen“, sagt Ceylen. Also brauchte sie ihre Rücklagen auf, die eigentlich für Reisen und Freizeitausgaben gedacht waren, lieh sich Geld bei einem Freund. Trotzdem rutschte ihr Konto ins Minus.
Die beliebten Ferienjobs fehlen in diesem Jahr
Der Sofortzuschuss für Studentinnen und Studenten in akuter Notlage vonseiten der Bundesregierung kam für sie wie gerufen. Seit Juni stellt der Bund über die Studentenwerke einen Fördertopf von insgesamt 100 Millionen Euro bereit, um Studenten, die in akute finanzielle Nöte geraten sind, zu unterstützen. Für die Monate Juni, Juli und August können jeweils Anträge auf die Überbrückungshilfe gestellt werden, bis zu 500 Euro werden pro Monat gezahlt.
Nefel Ceylen stellte je einen Antrag für Juni und Juli, beide wurden bewilligt. „Das entlastet wirklich sehr“, sagt die 25-Jährige. Mit der Soforthilfe beglich sie ihren negativen Kontostand, zahlte ihre Miete und ihre Versicherungskosten.
Wie Ceylen geht es vielen der rund 2,9 Millionen Studenten in Deutschland. Laut einer Umfrage des Personaldienstleisters Zenjob haben 40 Prozent der Studenten durch die Krise einen Job verloren. „Im Normalfall besteht ein großer Bedarf an studentischen Aushilfen im Bereich Event sowie in der Hotellerie und Gastronomie“, sagt Zenjob-Geschäftsführer Fritz Trott. Gerade diese Branchen sind aber von der Pandemie besonders betroffen. Und auch die sonst beliebten Ferienjobs – etwa auf Festivals, Konzerten oder als Kellner im Biergarten – würden in diesem Jahr größtenteils fehlen, so Trott.
Immer mehr Studenten sind daher auf die Hilfen des Bundes angewiesen. Im Juni und Juli sind
150.000 Anträge auf die Überbrückungshilfe beim Deutschen Studentenwerk (DSW) eingegangen. Für den Hochschuldachverband ist die Bearbeitung eine Kraftanstrengung. Binnen fünf Wochen wurde eine Online-Plattform geschaffen, über die die Antragstellung erfolgt.
1300 Sachbearbeiter prüfen nun jeden Antrag einzeln. „Pro Tag werden bis zu 6500 Anträge bearbeitet“, berichtet DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde.
40 Prozent der Anträge auf Soforthilfe werden abgelehnt
121.000 Anträge sind bearbeitet worden, rund 66.000 Anträge wurden bewilligt. Von den bereitgestellten 100 Millionen Euro sind über 28 Millionen Euro ausgezahlt worden. „Diese Zahlen zeigen, dass die Überbrückungshilfe gut angenommen wird und ein wichtiger Baustein ist, um Studierende in Notlagen in dieser herausfordernden Zeit zu unterstützen“, sagt Michael Meister, Staatssekretär im Bundesbildungsministerium. Das sehen aber nicht alle Studenten so. Die Brandenburger Medizinstudentin Hannah B. ist frustriert über die Antragstellung. Zwei Mal versuchte sie, Soforthilfe zu beantragen, zwei Mal wurde abgelehnt. Die 23-Jährige hatte bis zur Krise neben dem Studium im Einzelhandel gejobbt, dann wurden ihre Schichten gekürzt. Zur Hochphase der Pandemie half die Medizinstudentin in einer Arztpraxis aus – unentgeltlich. Als Einnahmequelle blieb fast nur noch die elterliche Unterstützung,
ihre Rücklagen brauchte sie nahezu auf. „Wenn man noch bis zu
400 Euro auf dem Konto hat, kann man ohnehin nur 100 Euro beantragen. Aber noch nicht einmal diese Unterstützung wurde mir gewährt“, ärgert sich die Studentin. Warum weiß sie nicht.
Sie ist kein Einzelfall. Laut dem Deutschen Studentenwerk wurden
40 Prozent der Anträge abgelehnt. „Der häufigste Grund bei der Ablehnung ist, dass die Notlage nicht neu ist, sondern schon vor der Krise vorhanden war. Es ist ein strukturelles Problem“, sagt Meyer auf der Heyde. Nur wer nachweisen kann, dass er aufgrund der Corona-Krise in finanzielle Nöte geraten ist und auch die Eltern nicht mehr einspringen können, erhält den Zuschuss. Aktuell kommt das Geld bei vielen an, die bereits in die roten Zahlen gerutscht sind. Wie aus einer aktuellen Zenjob-Umfrage hervorgeht, nutzen 47 Prozent der Studenten die Soforthilfen, um Schulden zu begleichen. Knapp jeder Zweite braucht das Geld für die Miete, jeder Dritte für den Semesterbeitrag.
Und der Druck wächst. 70 Prozent der Befragten gaben an, dass sie spätestens im kommenden Monat einen Job benötigen.
Für Nefel Ceylen hat sich die Soforthilfe gelohnt. Sie hat einen neuen Werkstudentenjob gefunden, dieses Mal im Einzelhandel. Auf eine neue Stelle in der Gastronomie will sie sich nicht bewerben. „Man weiß nicht, ob alle weiter mitziehen und eine zweite Covid-19-Welle verhindern. In eine Situation wie beim ersten Mal will ich nicht noch einmal kommen“, sagt sie.