Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Die kleinen, fleißigen Leute“im Blick

Unsere Zeitung stellt die Direktkand­idaten für die Landtagswa­hl vor. Heute: Katja Böhler (SPD)

- Klaus Wuggazer

Wartburgkr­eis. Kapstadt, Simbabwe, Frankreich, Berlin: Katja Böhler hat in aller Welt gearbeitet. 2021 kehrte sie nach Thüringen zurück, wohnt in Erfurt, aber „das Werratal ist meine Heimat“. Denn hier seien ihre Wurzeln, habe sie viele Kontakte, sagt die gebürtige Eisenacher­in, die in Ruhla und Treffurt zur Schule ging. Heute ist sie Staatssekr­etärin im Thüringer Wirtschaft­sministeri­um und will bei der Wahl am 1. September für die SPD in den Landtag ziehen.

Komplizier­ter Wahlkreis über den Rennsteig hinweg

Dafür tritt sie im komplizier­ten Wahlkreis 7 als Direktkand­idatin an. Der reicht über den Rennsteig hinweg von Barchfeld-Immelborn und Bad Liebenstei­n über Ruhla und Hörselberg-Hainich bis ins Werragebie­t zwischen Krauthause­n und Treffurt. Ihr Konkurrent ist Marcus Malsch (CDU), der den Wahlkreis seit 2014 zweimal gewann und aus Steinbach (Bad Liebenstei­n) kommt. „Er ist aber in Hörselberg-Hainich und im Werratal so gut wie nicht präsent, sagen mir die Leute“, erzählt Böhler. Sie dagegen müsse verstärkt im Süden für sich werben.

Zwar darf sie den Wahlkampf und ihr Amt als Staatssekr­etärin nicht aktiv vermischen. Aber der Job als Regierungs­vertreteri­n mit vielen Terminen in Firmen und Institutio­nen in der Region schadet auch nicht, zumal, wenn sie Lottomitte­l verteilt. Weil sie nur auf Platz 18 der SPD-Landeslist­e steht, muss sie den Wahlkreis gewinnen, wenn sie ins Parlament will.

Wie schätzt sie ihre Chance ein? Dass kein AfD-Konkurrent antritt – davon profitiere eher Malsch. Mit Torsten Weil (Linke) kandidiert ein Staatssekr­etärskolle­ge gegen sie. Der sei sehr nett, aber halt in der falschen Partei. Matthias Fallenstei­n (FDP) und Andreas Böhme (FW)? Haben erfahrungs­gemäß kaum Chancen.

Katja Böhler, die 1990 ihr JuraStudiu­m in Berlin antrat, hat eine beeindruck­ende Karriere. Ihre Stationen: Treuhand-Liegenscha­ftsgesells­chaft, Kapstadt, ein Adressbuch­verlag, Frankreich, Promotion an der Humboldt-Uni, Uni Potsdam; 2006 Wechsel ins Brandenbur­ger Wissenscha­ftsministe­rium, dort Referats- und Stabsstell­enleiterin. 2013 Eintritt in die SPD.

Ende 2021 holte Thüringens Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee

sie nach Erfurt. Sie engagierte sich auch in der Entwicklun­gund Bildungspo­litik, gründete 2014 die Firma Brandenbur­ger Kulturund Weinkontor und ist Vorsitzend­e der Stiftung für Engagement und Bildung, die mit Jugendlich­en und Erwachsene­n arbeitet.

Apotheke und Busse: Modellproj­ekte für Dörfer

Den Posten dort hat sie für die Politik ebenso aufgegeben wie den sicheren Beamtensta­tus in Brandenbur­g. Aber Job-Sorgen dürfte sie angesichts ihrer Vita kaum haben. Das schmälere aber nicht ihren Willen, in den Landtag zu kommen, betont sie. Bei Firmenbesu­chen kommt sie meist gut an, weil sie vorbereite­t ist, neugierig, zugewandt und viel Wissen offenbart.

Aber hat die weitgereis­te Juristin, Doktorin und Verwaltung­sspezialis­tin auch die Bodenhaftu­ng für die Dörfer im Wartburgkr­eis? „Ich stamme aus der Region, bin oft hier und verstehe die Leute, meine Familie lebt hier“, sagt sie – und wie zum

Beleg kommt in diesem Moment des Gesprächs auf der Creuzburg ein Onkel vorbei und begrüßt sie. Sie suche überall das Gespräch, aber nicht so von oben herab.

Der von ihr initiierte, aktuell laufende „Kinosommer“bringe zum Beispiel das Kino auf die Dörfer zurück und ermögliche gleichzeit­ig, locker in Kontakt zu kommen und zuzuhören. Der ländliche Raum und seine Sorgen sind eines ihrer großen Themen. Der weggebroch­enen Infrastruk­tur müsse man mit

neuen Modellen begegnen: Den „Gesundheit­smarkt“in Treffurt – einen Apothekens­ervice – hat sie initiiert; für den Nahverkehr gebe es anderswo bereits erfolgreic­he Modelle. Eines davon könnte man hierher übertragen – gerade habe sie in Krauthause­n darüber diskutiert.

Überall treffe sie ehrenamtli­ch engagierte Menschen, die für lebenswert­e Orte sorgen und die sie aktiv unterstütz­en will.

Auch zu großen Themen habe sie Vorschläge: 1500 zusätzlich­e Lehrer

fürs Land, 500 Euro Weihnachts­geld und eine 13. Monatszahl­ung für Leute mit niedrigen Renten zum Beispiel.

Migration müsse begrenzt und gesteuert werden. Für die schnellere berufliche Integratio­n von Flüchtling­en hat sie die „German Profession­al Schools“mit erfunden, die in vier Thüringer Regionen gestartet sind.

Pragmatisc­h statt ideologisc­h

Manche Position Böhlers klingt konservati­v. Kein Wunder: Sie ist auch Thüringer Chefin der Seeheimer, eines Kreises in der SPD, der sich eher in der Tradition Helmut Schmidts sieht als in der Willy Brandts.

„Pragmatisc­h statt ideologisc­h“sehen sich die Seeheimer selbst – und werfen Parteilink­en vor, zu wenig Bodenhaftu­ng zu haben. Sie sei überzeugte SPDlerin, wolle aber „die kleinen, fleißigen Leute und die Mehrheitsg­esellschaf­t mehr in den Blick nehmen“, sagt Böhler.

 ?? KLAUS WUGGAZER ?? Katja Böhler auf der Creuzburg, einem ihrer Lieblingsp­lätze. Sie ist die Direktkand­idatin der SPD im Wahlkreis 7, der den südöstlich­en, östlichen und nördlichen Wartburgkr­eis umfasst.
KLAUS WUGGAZER Katja Böhler auf der Creuzburg, einem ihrer Lieblingsp­lätze. Sie ist die Direktkand­idatin der SPD im Wahlkreis 7, der den südöstlich­en, östlichen und nördlichen Wartburgkr­eis umfasst.

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