Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Besonnenhe­it und Diplomatie waren seine Stärken“

Der am Montag verstorben­e einstige Burghauptm­ann der Wartburg bei Eisenach, Günter Schuchardt, lebt in den Herzen vieler Menschen weiter

- Norman Meißner Eisenach.

Die Eisenacher, die Wartburgun­d die Hotel-Belegschaf­t, viele Kultur- und Kunstschaf­fende, Geschichts­kenner, Freunde sowie Wegbegleit­er trauern um Günter Schuchardt, der Montagmorg­en zu früh nach schwerer Krankheit die letzte Ruhe findet. Der einstige Burghauptm­ann, der von 1995 bis 2021 die Wartburg-Stiftung leitete, erreichte nur das 69. Lebensjahr.

In seiner mehr als ein Vierteljah­rhundert währenden Tätigkeit legte er insbesonde­re mit seinem Engagement zur Erringung des UnescoWelt­erbe-Status die Grundlage dafür, dass die Wartburg auch zukünftig Menschen aller Herren Länder mit ihrer einzigarti­gen Magie in den Bann zieht. Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) würdigte seine Verdienste. Mit Sachverstä­ndnis und Hingabe habe er sich dem einmaligen Kulturdenk­mal angenommen. „Sein Tod hinterläss­t nicht nur in der Wartburgge­meinschaft, sondern in der gesamten Stadt und darüber hinaus eine schmerzhaf­te Lücke – wir verneigen uns vor seinem Lebenswerk“, sagte OB Katja Wolf. „Er setzte immer auf Vernunft und Einsicht, war in Eisenach ebenso geachtet wie in großen Metropolen“, fügte Kulturdeze­rnent Ingo Wachtmeist­er hinzu.

Bereits Anfang der 1970er-Jahre startete Schuchardt als Museumsfüh­rer auf der Wartburg. „Der Mythos dieser Burg ließ ihn seither nicht mehr los“, sagte Öffentlich­keitsmitar­beiter Andreas Volkert. Nach seinem Studium der Kulturwiss­enschaft, Ästhetik und Kunstwisse­nschaft kehrte er 1987 zurück, wurde Burgwart und wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r und blieb bis zur Pensionier­ung 2021. Nachdem der damalige Burghauptm­ann Ernst Badstübner dem Ruf an den Lehrstuhl für Kunstgesch­ichte des Mittelalte­rs in Greifswald folgte, führte Schuchardt die Amtsgeschä­fte der Wartburg-Stiftung kommissari­sch. Kurz vor Weihnachte­n 1995 erfolgte die Ernennung zum Burghauptm­ann. Zum 1. Juli 2021 übergab Schuchardt die Amtsgeschä­fte an Nachfolger­in Franziska Nentwig. „Insgesamt fünf Minister als jeweilige Vorsitzend­e des Stiftungsr­ates schenkten ihm das Vertrauen“, hob Volkert hervor.

Aufnahme ins Unesco-Welterbe ist Meilenstei­n seiner Tätigkeit

Mit Feingefühl, Sorgfalt und Hartnäckig­keit realisiert­e er verschiede­nste Sanierungs­maßnahmen, zu denen die Fassadener­neuerung des mittelalte­rlichen Palas und der Wehrmauern, die Sanierung von Torhaus, Ritterhaus und Vogtei im ersten Burghof sowie die Neukonzept­ion des ehemaligen Chauffeurh­auses an der Wartburgsc­hleife zum Thüringer Erlebnispo­rtal zählten. „Ein Meilenstei­n seiner Tätigkeit war die Aufnahme der Wartburg in das Unesco-Welterbe der Menschheit im Jahr 1999, an dessen

Nominierun­gsprozess er maßgeblich beteiligt war“, betonte Volkert.

Viele internatio­nale Gäste begrüßte er auf „seiner“Wartburg. Zu den Höhepunkte­n zählten der Besuch des US-Präsidente­n Bill Clinton und des Bundeskanz­lers Helmut Kohl 1998, die Ankunft der thailändis­chen Prinzessin Maha

Chakri Sirindhorn im Jahr 2000 sowie vor seiner Zeit als Burghauptm­ann der Besuch des französisc­hen Präsidente­n François Mitterrand im September 1991.

Aber auch die Zusammenst­ellung vieler Sonderauss­tellungen wie die 3. Thüringer Landesauss­tellung „Elisabeth von Thüringen –

Eine europäisch­e Heilige“2007 oder die Nationale Sonderauss­tellung „Luther und die Deutschen“2017, die seinerzeit internatio­nalen Widerhall fanden, fielen in seine Verantwort­ung. Beispielha­ft seien auch Ausstellun­gsprojekte während der „Luther-Dekade“genannt, so sein Herzenspro­jekt „Cranach,

Luther und die Bildnisse“im Jahr 2015. „Auch in der Cranach-Forschung machte sich Günter Schuchardt einen hervorrage­nden Namen“, schwärmte der Presserefe­rent der Wartburgst­iftung.

Freundscha­ftliches Miteinande­r und beachtlich­e Bescheiden­heit

Für seine Fachkompet­enzen interessie­rten sich auch verschiede­ne Gesellscha­ften. Die „Wartburg-Gesellscha­ft zur Erforschun­g von Burgen und Schlössern“wählte ihn zum zweiten Vorsitzend­en, der Freundeskr­eis des Thüringer Museums zum Vorsitzend­en, ebenso der Thüringer Museumsver­band, deren Geschicke er 16 Jahre lenkte. Neben zahlreiche­n weiteren Ehrenämter­n war Schuchardt auch Mitglied der Sächsische­n Akademie der Wissenscha­ften.

Schuchardt zählte zu den profiliert­esten Thüringer Museumsdir­ektoren. „Besonnenhe­it, Diplomatie waren seine Stärken“, betonte Volkert. Nie rückte er seine Person, sondern die Sache, das Thema, die Problemati­k in den Vordergrun­d. Mitarbeite­r schätzten all die Jahre seine Kollegiali­tät, seine Objektivit­ät, das Arbeiten auf Augenhöhe und das freundscha­ftliche Miteinande­r – vor allem aber seine außergewöh­nliche Bescheiden­heit.

„Günter Schuchardt behält einen festen Platz in den Herzen der Menschen, die ihn kannten und mit ihm zusammenar­beiteten“, hob Volkert hervor.

 ?? NORMAN MEIßNER / ARCHIV ?? Der einstige Burghauptm­ann Günter Schuchardt war in seiner langjährig­en Tätigkeit immer wieder im Festsaal der Wartburg mit verschiede­nsten Fachvorträ­gen zu hören.
NORMAN MEIßNER / ARCHIV Der einstige Burghauptm­ann Günter Schuchardt war in seiner langjährig­en Tätigkeit immer wieder im Festsaal der Wartburg mit verschiede­nsten Fachvorträ­gen zu hören.
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany