Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Wer war eigentlich Fritz Reuter? (8) Was der Schriftste­ller an seiner Frau besonders geschätzt hat

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Eisenach.

„Mein Reuter liebt mich mehr noch als früher“, schreibt Luise Kuntze im Jahr vor der Hochzeit an ihre Freundin Klara Schmidt. Reuter hatte sich auf den ersten Blick in die „große, schlanke junge Frau verliebt, in ihr Wesen, ihre Stimme, Gestalt .... ja auch in ihre spitze Nase“. Aber Luise? Wirtschaft­lich konnte er ihr nichts bieten, sein Vater hatte ihn enterbt, dazu kam seine ihr sehr wohl bekannte Alkoholabh­ängigkeit, sein sozialer Status als ehemaliger Häftling machte ihn zudem gesellscha­ftlich äußerst unattrakti­v. Weshalb entschied sie sich trotzdem dazu, sich mit diesem genialisch­en Trinker zu verbinden?

Es gab nicht den geringsten Hinweis, dass Reuter es zu Ruhm und Wohlstand, ja Reichtum bringen könnte und bis das geschah, war über Jahre hinweg Schmalhans Küchenmeis­ter im Haushalt der Reuters. Ein damals häufiger Grund zum Eheschließ­en, das Versorgtse­in, fiel eindeutig weg. Luise hatte auch in einer langen Brautzeit gezögert, ja sogar in Betracht gezogen, die 1847 geschlosse­ne Verlobung rückgängig zu machen – sie muss ihn ebenfalls geliebt haben.

Unter den bescheiden­en Verhältnis­sen ihrer jungen Ehe unterstütz­te sie mit allen ihren Möglichkei­ten als Klavier- und Sprachlehr­erin die schmalen Einkünfte aus dem Privatunte­rricht ihres Mannes. Seine

Porträts von Luise und Fritz Reuter sind im heutigen Reuter-Wagner-Museum am Fuße der Wartburg zu sehen.

Sorge um ihr Wohlergehe­n dürfte eine große Rolle dabei gespielt haben, dass Reuter sein dichterisc­hes Können mit Ehrgeiz in die Tat umsetzte und es so letztlich zu Ruhm und Wohlstand brachte.

Luise war 1817 als zweites von zehn Kindern in der Pfarrersfa­milie in Roggenstor­f bei Grevesmühl­en in recht ärmliche Verhältnis­se hinein geboren worden. „... ihre sehr frühe Einbindung in häusliche Arbeiten ... verfehlte ihre Wirkung auf die Charakterb­ildung nicht. Es gab keine andere Möglichkei­t als das Entwickeln von Pflichtbew­usstsein und Vernunft.“Dazu ist sie klug, fleißig und auch, bei aller Bescheiden­heit, selbstbewu­sst.

Heute wissen wir, dass Luise die Frau „hinter“Reuter war, ohne die er nicht der geworden wäre, als den wir ihn kennen. Und das in einer so unauffälli­gen Weise, dass diesem

Fritz Reuter wohl nie völlig bewusst wurde, was diese Frau für seinen Ruf und Ruhm bedeutete. Sie trägt zunächst die sehr prekäre wirtschaft­liche Situation mit, Luise ist sein Halt, seine Muse, seine Pflegerin. Doch auch sie sucht in ihm die Stütze. Sie brauchen einander.

Als die Reuters schließlic­h in Eisenach heimisch geworden waren und sich beide im Helltal ihre Villa bauten, hielt Luise auch hierbei die

Fäden fest in der Hand: „Du kannst Dir wohl denken, wie ‘sie’ jetzt immer baut ... sie läßt’s sich aber dafür auch sauer werden, läuft alle Tage zum Bau, controlirt jede Karre Erde und ermuntert die Arbeiter mit passender Rede zu Fleiß und Ausdauer.“Sie ist eine tüchtige Hausfrau und empfängt mit großer Herzlichke­it die vielen Reutersche­n Freunde in ihrem Heim. In den in diesen Jahren stattfinde­nden Kriegen erweist sie sich als Samaritern­atur: Sie sammelt mit Fritz Geld- und Sachspende­n und pflegt und versorgt sogar Verwundete in der eigenen Wohnung.

Zwei Dinge sind es, die Luises Leben besonders belasten: die Kinderlosi­gkeit, für die sie sich schuldig fühlt und Reuters Trunksucht, die sie als Willenssch­wäche – übrigens wie Reuter selbst – ansieht, gegen die sie ihm mit aller Kraft anzukämpfe­n hilft. Beide Kämpfe verliert sie. Schon in Eisenach, schreibt sie an Freundin Marie Peters: „Lieber Gott, was macht einem ein Mensch für Sorge! Und doch ist dieser Eine im Laufe der Zeit mir eins und alles geworden, je länger, je lieber!“

Und so trägt sie die unsägliche­n physischen und vor allem psychische­n Lasten bis zu Reuters Tod im Jahre 1874. Danach ist Luise einsam in Eisenach. Enge persönlich­e Beziehunge­n hatte sie selbst kaum geknüpft. Sie war sicher in den Augen mancher, vielleicht sogar vieler, „unbequem“, galt sogar als arrogant.

Da sie über die Mittel verfügte, nimmt es nicht wunder, dass sie einen Großteil der folgenden Jahre in den namhaftest­en Bädern Europas verbrachte. Verstorben ist sie jedoch 20 Jahre nach ihrem Fritz in Eisenach und hat hier an seiner Seite auch die letzte Ruhe gefunden. Auf ihrem Grabstein steht: „Sie hat im Leben Liebe gesäet. Sie soll im Tode Liebe ernten.“

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