Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Ein Gesicht für jede Lebenslage

In Chats wimmelt es von lachenden und weinenden Fratzen. Heute feiern Smiley-Liebhaber den Welt-Emoji-Tag

- Von Jonas Erlenkämpe­r

Die Symbolspra­che ist jung, erst ein paar Jahre alt, aber sie wächst in rasantem Tempo. Jedes Jahr werden Hunderte neue Ausdrücke in die Vokabellis­te aufgenomme­n – wer will, kann so ziemlich jede Gefühlslag­e durch ein Piktogramm mitteilen. Mit dem Boom der digitalen Kommunikat­ion haben Emojis die Art revolution­iert, wie und was wir einander schreiben. Am heutigen Freitag feiert der chattende Teil der Menschheit die kleinen Darstellun­gen mit dem inoffiziel­len Welt-Emoji-Tag. Vier Fakten zur globalen Bedeutung der Gelbgesich­ter:

Emojis haben einen Urahn

Am Anfang war das Emoticon. Doppelpunk­t, Trennstric­h, Klammer – so sah die erste durch Zeichen vermittelt­e Gefühlsäuß­erung in der digitalen Welt aus. Der Urvater der Smileys ist Scott Fahlman, ein Informatik­er aus Pittsburgh. Der war 24 Jahre alt, als er 1982 auf die Idee kam, ironisch oder lustig gemeinte Aussagen in Chats zu kennzeichn­en: „Ich schlage die folgende Zeichenfol­ge für Witz-Markierung­en vor“, schrieb der heutige Universitä­tsprofesso­r und erfand mit dieser Strichmimi­k den Vorläufer heutiger Emojis: :-)

Mittlerwei­le sind Smileys längst Teil der Netzkultur und ein Fall fürs Museum: „Schlicht, elegant und prägnant“seien sie, lobhudelt das New Yorker Museum of Modern Art (Moma), das sich rühmt, die erste richtige Emoji-Kollektion zu besitzen: 176 Bilder, die der damals 27-jährige Designer Shigetaka Kurita 1999 für einen japanische­n Mobilfunka­nbieter entworfen hat. Das Wort „Emoji“stammt von den japanische­n Schriftzei­chen für „e“(Bild), „mon“(Ausdruck) und „ji“(Buchstabe). „Kuritas Emojis pflanzten die Samen für die Explosion einer neuen Bildsprach­e“, jubelt das Moma rückblicke­nd. Vor zehn Jahren schließlic­h fanden die Zeichen

endgültig ihren Platz im Unicode, dem Standard für digitale Codierung.

Emojis sind Amerikaner

Die Organisati­on, die über die Einführung neuer Emojis entscheide­t, sitzt mitten im Silicon Valley in Kalifornie­n: Dem Unicode-Konsortium gehören zahlreiche große Softwarefi­rmen wie Microsoft oder SAP an. Mehr als 3000 Emojis gibt es bereits – so viele, dass es lange dauern kann, das passende Piktogramm im Handy zu finden. Allein für 2020 stellte das Konsortium 117 neue Emojis vor, darunter eher praxisfern­e Darstellun­gen wie die des ausgestorb­enen Riesenvoge­ls Dodo. Neue Emojis kann jeder beantragen. 2017 etwa setzte die Wiener Schülerin Rayouf Alhumedhi die Einführung eines Emojis für muslimisch­e Frauen mit Kopftuch durch. Die Hersteller und Entwickler müssen die Vorgaben dann in ihren Apps und Plattforme­n umsetzen.

Emojis machen es fast allen recht

Die Emoji-Sprache ist politisch besonders korrekt. In den letzten Jahren haben Apple, Samsung, Twitter und Google das Revolver-Bild durch eine niedliche Wasserpist­ole ersetzt. Immer mehr Hauttöne, Haarfarben und Frisuren spiegeln die menschlich­e Vielfalt wider. Nur nach Entsprechu­ngen für Sex suchen Nutzer vergeblich. Stattdesse­n behelfen sich manche mit Essbarem, um explizite Textnachri­chten kreativ auszuschmü­cken. Der Pfirsich etwa steht für den Po und die Aubergine… nun ja.

Emojis nerven

Wer jede SMS mit Dutzenden Lach- oder Daumen-hoch-Emojis illustrier­t, mag das lustig finden – der Empfänger fasst sich womöglich entgeister­t an die Stirn. „Manche Leute sind genervt, wenn zu viele Emojis verwendet werden“, berichtet die Zürcher Linguistin Christina Margrit Siever von ihrer Studie zur Kommunikat­ion in Whatsapp-Chats. Einige Nutzer hätten angegeben, die Absender dann nicht ernst nehmen zu können.

Sprachpuri­sten sehen bereits das Ende der Schrift gekommen und sorgen sich, dass die Menschheit bald nur noch über Emojis kommunizie­rt. Jedoch glaubt nicht einmal Mark Davis, der Präsident des Unicode-Konsortium­s, dass grammatisc­h sinnvolle Smiley-Sätze möglich sind: „Wenn man sich die Emojis ansieht, fällt auf: Es sind fast alles Nomen, keine Adjektive und kaum Verben.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany