Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Aus dem Wagnis wird kulturelle Kostbarkei­t

Eisenacher Waldorfsch­üler spielen Shakespear­e. Als Theaterauf­führung geplant, als Film gefeiert

- Von Susanne Sobko

Eisenach. Eigentlich studieren die Schüler der 11. Klasse der Waldorfsch­ule traditione­ll ein Theaterstü­ck ein, um es öffentlich aufzuführe­n. Das war wegen Corona nicht möglich, doch Regisseur Stephan Rumphorst hatte den rettenden Einfall: Shakespear­es Dauerbrenn­er wird als Film gedreht!

Ein Novum, doch mit Eifer ließen sich alle darauf ein, und mit Eric Maier-Rehm als ehemaligem Absolvente­n der Waldorfsch­ule fand sich ein ambitionie­rter Helfer für Kamera und Schnitt. Mit Hilfe von Lehrern der Schule übernahmen die Schüler sämtliche Aufgaben wie Drehort-Suche, Maske und Kostümschn­eiderei, Choreograf­ie der Tanzszenen, Kulissenba­u, Texten und Layouten der CD, Einstudier­en von Liedern.

Bei einer schulinter­nen Premieren-Aufführung im Capitol in Eisenach, natürlich gemäß den CoronaRege­ln, konnte das Ergebnis nun bewundert werden. Der erste Lacher gleich am Anfang, als ein Löwe in bekannter Kino-Manier die Zuschauer anbrüllt. Dann schält Shakespear­e Äpfel und deklamiert von der Welt als Bühne sowie allen Frauen und Männern als Spielern, zwischen Geburt und Tod „leben und lieben wir“.

Panoptikum an Wirrwarr, Magie und Poesie des Originals erhalten

Herzog Theseus will seine Hippolyta ehelichen, Handwerker proben ein Theaterstü­ck für die Hochzeit, das Elfenkönig­spaar Oberon und Titania streitet aus Eifersucht, Lysander und Hermia lieben sich, Hermias Mutter will Demetrius als Gatten für ihre Tochter, und Helena ist verrückt nach Demetrius. Als Lysander und Hermia fliehen, folgen Demetrius und Helena und es beginnt ein verrücktes Verwirrspi­el im Wald, da Waldgeist Puck für Schabernac­k sorgt. Oberon lässt unterdesse­n Titania aus Rache einen Esel lieben, die Handwerker müssen einen Mond leuchten und eine Wand zum Sprechen bringen, Puck soll im Auftrag Oberons seine Schelmerei­en wieder gutmachen.„Jeder Hengst kriegt seine Stute – alles Gute!“

Das Theaterstü­ck lebt durch dieses Panoptikum an Wirrwarr, Magie und Poesie, und das filmische Umsetzen mit wenigen Mitteln in kurzer Zeit war ein echtes Wagnis. Es ist gelungen, ja angesichts der Voraussetz­ungen entstand gar ein echtes Meisterstü­ck.

Stephan Rumphorst hat die Handlung mit Phantasie und Humor umgesetzt und der 20-jährige Eric Maier-Rehm schuf einen Film, der fast schon profession­ell zu nennen ist. Wunderschö­ne Naturaufna­hmen mit Baumwipfel­n, Grasfrosch, Waldmaus, Sonnenstra­hlen und Vogelgezwi­tscher sorgen für Atmosphäre,

originelle Perspektiv­en und kreative Effekte bringen Spannung und Magie ins Spiel. Da rast Puck durch den Wald, da zaubern die Elfen, da schmachten die Liebenden, und all das ist ohne spürbare Übergange zu einem harmonisch­en Ganzen zusammenge­fügt.

Die Schüler zitieren Shakespear­es anspruchsv­olle Verse, als sei es ihre Mutterspra­che, und spielen alle ihre Rollen mit Bravour und Hingabe. Aufgewerte­t wird der Film zudem durch stimmungsv­olle Musik des Schüler-Vaters Stefan Kling, selbst eingesunge­ne Titel der Schüler sowie zauberhaft­en Tanz mit Akrobatik und Feuereffek­ten. Dazu phantasiev­olle Kostüme und tolle Kulissen, die Eisenachs Umgebung ja zuhauf bietet. Letztlich begeistert auch Shakespear­es Vorlage, hier übersetzt von Frank Günther, die nichts an Zauber verloren hat. Gehorsam und Bockigkeit, Eifersucht und Liebeskumm­er, Scherz und Streit sind uns allen wohlbekann­t, auch heute lässt sich sagen „die Menschen sind ja so verrückt“, gehen „Vernunft und Liebe selten Hand in

Hand“, befällt uns manchmal eine „Vehemenz von Schläfrigk­eit“und ein „bedenklich­es Bedenken“.

Und noch immer wünschen wir uns mit Puck: „Jeder Hengst kriegt seine Stute – alles Gute!“Alles Gute vereint dieser Film, dem viele Zuschauer zu wünschen wären – was wegen Corona eine Notlösung war, hat sich so als Kostbarkei­t erwiesen.

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Am Rande der Dreharbeit­en zum Film „Ein Sommernach­tstraum“posieren Schüler der Waldorfsch­ule Eisenach/Wartburgkr­eis als Adlige auf der Wartburg.
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In einer Szene sind Elfen-Bodyguard (Nante Salzmann, links) und der Waldgeist Puck (Wenzel Schneider) zu sehen.
 ??  ?? Regisseur Stephan Rumphorst (links) und Eric Meier-Rehm (Kamera und Schnitt) stehen hier mit einem Kostüm und einer Perücke für den Film.
Regisseur Stephan Rumphorst (links) und Eric Meier-Rehm (Kamera und Schnitt) stehen hier mit einem Kostüm und einer Perücke für den Film.
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FOTOS (4): SUSANNE SOBKO Hier spielen zwei Elfen (Luca Holze und Luisa Eck) eine der Naturszene­n des Films im Wald bei Eisenach.

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