Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Aus dem Wagnis wird kulturelle Kostbarkeit
Eisenacher Waldorfschüler spielen Shakespeare. Als Theateraufführung geplant, als Film gefeiert
Eisenach. Eigentlich studieren die Schüler der 11. Klasse der Waldorfschule traditionell ein Theaterstück ein, um es öffentlich aufzuführen. Das war wegen Corona nicht möglich, doch Regisseur Stephan Rumphorst hatte den rettenden Einfall: Shakespeares Dauerbrenner wird als Film gedreht!
Ein Novum, doch mit Eifer ließen sich alle darauf ein, und mit Eric Maier-Rehm als ehemaligem Absolventen der Waldorfschule fand sich ein ambitionierter Helfer für Kamera und Schnitt. Mit Hilfe von Lehrern der Schule übernahmen die Schüler sämtliche Aufgaben wie Drehort-Suche, Maske und Kostümschneiderei, Choreografie der Tanzszenen, Kulissenbau, Texten und Layouten der CD, Einstudieren von Liedern.
Bei einer schulinternen Premieren-Aufführung im Capitol in Eisenach, natürlich gemäß den CoronaRegeln, konnte das Ergebnis nun bewundert werden. Der erste Lacher gleich am Anfang, als ein Löwe in bekannter Kino-Manier die Zuschauer anbrüllt. Dann schält Shakespeare Äpfel und deklamiert von der Welt als Bühne sowie allen Frauen und Männern als Spielern, zwischen Geburt und Tod „leben und lieben wir“.
Panoptikum an Wirrwarr, Magie und Poesie des Originals erhalten
Herzog Theseus will seine Hippolyta ehelichen, Handwerker proben ein Theaterstück für die Hochzeit, das Elfenkönigspaar Oberon und Titania streitet aus Eifersucht, Lysander und Hermia lieben sich, Hermias Mutter will Demetrius als Gatten für ihre Tochter, und Helena ist verrückt nach Demetrius. Als Lysander und Hermia fliehen, folgen Demetrius und Helena und es beginnt ein verrücktes Verwirrspiel im Wald, da Waldgeist Puck für Schabernack sorgt. Oberon lässt unterdessen Titania aus Rache einen Esel lieben, die Handwerker müssen einen Mond leuchten und eine Wand zum Sprechen bringen, Puck soll im Auftrag Oberons seine Schelmereien wieder gutmachen.„Jeder Hengst kriegt seine Stute – alles Gute!“
Das Theaterstück lebt durch dieses Panoptikum an Wirrwarr, Magie und Poesie, und das filmische Umsetzen mit wenigen Mitteln in kurzer Zeit war ein echtes Wagnis. Es ist gelungen, ja angesichts der Voraussetzungen entstand gar ein echtes Meisterstück.
Stephan Rumphorst hat die Handlung mit Phantasie und Humor umgesetzt und der 20-jährige Eric Maier-Rehm schuf einen Film, der fast schon professionell zu nennen ist. Wunderschöne Naturaufnahmen mit Baumwipfeln, Grasfrosch, Waldmaus, Sonnenstrahlen und Vogelgezwitscher sorgen für Atmosphäre,
originelle Perspektiven und kreative Effekte bringen Spannung und Magie ins Spiel. Da rast Puck durch den Wald, da zaubern die Elfen, da schmachten die Liebenden, und all das ist ohne spürbare Übergange zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt.
Die Schüler zitieren Shakespeares anspruchsvolle Verse, als sei es ihre Muttersprache, und spielen alle ihre Rollen mit Bravour und Hingabe. Aufgewertet wird der Film zudem durch stimmungsvolle Musik des Schüler-Vaters Stefan Kling, selbst eingesungene Titel der Schüler sowie zauberhaften Tanz mit Akrobatik und Feuereffekten. Dazu phantasievolle Kostüme und tolle Kulissen, die Eisenachs Umgebung ja zuhauf bietet. Letztlich begeistert auch Shakespeares Vorlage, hier übersetzt von Frank Günther, die nichts an Zauber verloren hat. Gehorsam und Bockigkeit, Eifersucht und Liebeskummer, Scherz und Streit sind uns allen wohlbekannt, auch heute lässt sich sagen „die Menschen sind ja so verrückt“, gehen „Vernunft und Liebe selten Hand in
Hand“, befällt uns manchmal eine „Vehemenz von Schläfrigkeit“und ein „bedenkliches Bedenken“.
Und noch immer wünschen wir uns mit Puck: „Jeder Hengst kriegt seine Stute – alles Gute!“Alles Gute vereint dieser Film, dem viele Zuschauer zu wünschen wären – was wegen Corona eine Notlösung war, hat sich so als Kostbarkeit erwiesen.