Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
So ist Rolf Felix Müller auf den Goldenen Spatz gekommen
Der Grafiker und Illustrator hat das Symbol des Kinderfilmfestivals geschaffen – Heute feiert der Geraer seinen 85. Geburtstag
GERA. „Mensch, der war aber auch fleißig!“– Der Grafiker und Illustrator Rolf Felix Müller sitzt auf dem knall-grünen Sofa in seiner hellen Altbauwohnung in der Oststraße in Gera und blättert in dem dicken gelben Buch mit seinen gesammelten Werken. Hunderte Film- und Theaterplakate, Bucheinbände, satirische Zeichnungen und Skizzen sind darin verzeichnet. Darunter auch der Goldene Spatz – das Symbol des gleichnamigen Kinder-medien-festivals. Der kleine gelbe Piepmatz stammt auch aus der Feder von Rolf Felix Müller, der heute seinen 85. Geburtstag feiert.
„Da kann ich ja nur erstaunt sein, wenn ich das anschaue und es ist alles von mir“, scherzt der gebürtige Bad Lobensteiner mit der runden Metallbrille auf der Nase. Auch wenn ihm seine Gesundheit, vor allem das Laufen, zunehmend zu schaffen macht, seinen Lausbuben-humor hat sich der Künstler bewahrt. Dieser guckt auch aus seinen Zeichnungen hervor – und davon gibt es allein in der Wohnung unzählbar viele in Schubladen, Mappen und auf riesigen Papiertürmen.
„Ich habe schon als Kind immer gezeichnet“, sagt Müller. Sein Vater, von Beruf Steinsetzer, hätte eigentlich andere Pläne für den Sohn gehabt, der sich vor allem für die fertigen Muster der Steinplatten begeisterte. Auf Empfehlung eines Kunsterziehers kam der begabte junge Mann zur Lithografielehre bei der Geraer Druckerei Günther. Später arbeitete er auch bei der Druckerei Volkswacht Gera. In dieser Zeit produzierte er erste eigene Werke, bis er 1952 zum Studium an die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig delegiert wurde.
Stilisiertes Hakenkreuz sorgte für Aufsehen
Schon während des Studiums zeichnete Müller für mehrere Verlage. „Viel habe ich zum Beispiel für den Eulenspiegelverlag gemacht“, erinnert er sich gern zurück.
Ab 1958 ließ er sich als freischaffender Künstler in Gera nieder und widmete sich intensiv der Gebrauchsgrafik, bevor er selbst als Dozent an der HGB unterrichtete. 1993 wurde Müller zum Professor berufen.
Für seine Arbeiten erhielt der Künstler zahlreiche Auszeichnungen. Neben dem Exlibrispreis des Kulturbundes und Kunstpreisen der Stadt und des Bezirks Gera, wurden ihm sowohl der Nationalpreis der DDR, als auch das Verdienstkreuz der Bundesrepublik verliehen.
„Ich wurde von beiden Systemen mit Preisen bedacht“, freut er sich. Grafiker Rolf Felix Müller zeichnet auch im Ruhestand unablässig. Aktuell haben es ihm vor allem Eulen angetan. Foto: Franziska Gräfenhan
Schon zu Ddr-zeiten war Müller immer wieder ins „nichtsozialistische“Ausland gereist und hatte vor allem mit dem Plakat
zu Rolf Hochhuths Theaterstück „Der Stellvertreter“weltweit für Furore gesorgt, indem er ein stilisiertes Hakenkreuz in
der Zeichnung unterbrachte. Ein anderes bekanntes Motiv ist der Goldene Spatz. Der kleine Vogel mit dem Käppi prangt kaum zu übersehen an der sonnig gelben Fassade des Müller’schen Wohnhauses. Doch auch im Inneren ist er überall zu finden.
„Ich war von Beginn an Jurymitglied beim Kinderfilmfestival und habe die Plakate und Flyer gestaltet“, sagt Müller. Kurz bevor das Festival 1979 in „Goldener Spatz“umbenannt wurde, baten ihn die Organisatoren um ein markiges Symbol. Müller fiel die Entscheidung leicht. „Ich habe immer schon Vögel gezeichnet“, sagt er und lacht.
Der Spatz, der bereits die ersten Plakate des Kinderfilmfestivals schmückte, wurde zum zentralen Motiv. Irgendwie sei der freche Vogel ja immer mit den Kindern verbunden.
Und für die zeichnete Müller besonders gern. „Ich habe sehr viele Kinderbücher gestaltet“, sagt er. Doch auch für die Kunstwerke der Kinder kann sich der prämierte Grafiker begeistern. „Ich habe jahrelang vor dem Kinder-film-festival mit den Kindern in der Fußgängerzone in Gera gezeichnet. Da waren tolle Sachen dabei“, schwärmt der Künstler.
Sammlung an das Stadtmuseum übergeben
Über die Zeit sammelte sich bei Müller sehr viel Material an. Die große private Sammlung an Goldenen Spatzen gab der Künstler vor wenigen Jahren ans Stadtmuseum in Gera. „Es nützt ja nichts. So bleibt wenigstens alles zusammen und ordentlich.“
Schließlich hat Müller die Entwürfe aller anderen Arbeiten auch bei sich zuhause. Obwohl sich Gäste gern unbemerkt die eine oder andere Zeichnung oder Taschenuhr als Souvenir mitnehmen, wächst der Fundus jeden Tag. Denn noch immer verbringt der Künstler die meiste Zeit am Schreibtisch. Seine neueste Leidenschaft ist auch ein Vogel: die Eule.
„Was will ich machen“, sagt er schelmisch, holt einen schwarzen Tuschestift und bringt „ruck, zuck“die nächste kleine Eule zu Papier.
„Ich zeichne mit der linken und der rechten Hand“, bemerkt er beiläufig. Sein Sohn Thomas habe das von ihm geerbt. Auch er ist Grafiker und lehrt wie einst der Vater als Professor an der HGB.
An seinem 85. Geburtstag entspannt Rolf Felix Müller allerdings endlich einmal. Mit seiner Lebensgefährtin, der Keramikkünstlerin Sigrun Lempe, feiert er heute in der Stille des Allgäus. Stifte, Farben und Papier hat er aber auch dort zur Hand.
„Felix verschickt immer selbst gemalte Postkarten“, verrät Sigrun Lempe. So sei das halt mit einem notorischen Künstler. „Er kann das Zeichnen einfach nicht lassen.“