Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Von oben sichten und vernichten
Unbemannte Fluggeräte wie Drohnen haben unzählige Einsatzmöglichkeiten – Ein Unternehmen aus dem Weimarer Land integriert diese Technologie in die Landwirtschaft
GROßSCHWABHAUSEN. Der Maiszünsler ist der ärgste Feind der Maisbauern. Die Raupen dieses Kleinschmetterlings ernähren sich nämlich vorzugsweise von Mais, weltweit vernichten sie jährlich bereits etwa vier Prozent der Maisernte. Deshalb haben die Landwirte dem Maiszünsler, der sich infolge der Erderwärmung längst vom Mittelmeerraum bis in den Norden Deutschlands ausgebreitet hat, den Kampf angesagt: Sie versuchen ihm durch tiefes Unterpflügen der Maisstoppeln beizukommen, mit Chemie oder auch mit biologischen Mitteln.
Für die ökologische Variante bietet sich die Schlupfwespe (Trichogramma brassicae) an: Sie ist der natürliche Gegenspieler des Maiszünslers, weil sie ihre Eier in den Gelegen dieses Schädlings ablegt und dadurch verhindert, dass neue Maiszünsler schlüpfen.
Die Bekämpfung mit Schlupfwespen, die für den Mais ungefährlich sind, hat sich seit Jahren bewährt. Allerdings wurden bislang meist Kapseln oder Karten mit den Eigelegen der Wespe per Hand verteilt. „Das ist ungefähr so, als ob Sie eine 100-Grammtafel Schokolade auf einen Hektar ausbringen – ein immenser Zeitaufwand“, sagt Jörg Ruppe, Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der Rucon Gmbh in Großschwabhausen (Kreis Weimarer Land).
Seine Firma hat deshalb eine neue Technologie zur Ausbringung der Schlupfwespen entwickelt, die den Aufwand reduziert und den Wirkungsgrad erhöht: An einer Drohne mit vier Minipropellern wird ein im 3Ddrucker hergestellter Dispenser – ein etwa 20 Zentimeter hohes Kunststoffgefäß – befestigt. Dieser Dispenser nimmt bis zu 500 Kapseln aus Maisstärke auf, in denen wiederum jeweils zehn Schlupfwespen-generationen schlummern. Sobald die Drohne einen befallenen Schlag befliegt, der vorher mit einer speziellen Software ausgewählt und gemessen wurde, löst sie in festgelegten Intervallen einen Impuls aus, woraufhin der Dispenser jeweils eine Kapsel mit Schlupfwespen ausspuckt.
„Für eine Fläche von fünf Hektar braucht Sie dafür gerade einmal fünf Minuten“, erklärt Ruppe. Die Schlupfwespen arbeiten sich dann durch die Kapselhülle ins Freie und machen sich auf die Suche nach den Eiern des Maiszünslers. Der Behandlungserfolg liege bei 60 bis 80 Prozent.
In Baden-württemberg, wo schon Flächen in Größenordnung vom Maiszünsler befallen sind, werde diese Technologie nicht nur bereits vielfach angewandt, sondern vom Land auch gefördert: 60 Euro je Hektar lässt es springen, in Rheinlandpfalz
sind es immerhin 40 Euro/ Hektar. Dass es dafür in Mitteldeutschland noch keine Förderung gibt, findet Jörg Ruppe nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht bedauerlich – sein Unternehmen könnte die Befliegung schließlich als Dienstleistung anbieten oder die selbst entwickelten und gebauten Flugsysteme an die Landwirte verkaufen. „Das Verfahren wäre auch gut für das Image der Landwirtschaft. Denn es verursacht eben keine ökologischen Probleme.“Insofern sei kaum nachvollziehbar, warum das Land dafür kein Programm auflegt.
Mit Jörg Ruppe spricht ein Mann vom Fach. Der Jenaer hat Landwirtschaft studiert, auf diesem Gebiet promoviert und er kennt das Metier von der Pike auf. Den Schweinestall ausmisten oder Kühe melken? Hat Ruppe alles schon selbst gemacht. Bis er 2010 seine Firma gründete, war er im Agrar- und Umweltbereich tätig. Dann aber faszinierte ihn die Sache mit den Drohnengeräten derart, dass er sich fortan vor allem der Fortentwicklung dieser Technologie und ihrer Integration in der Land- und Forstwirtschaft widmete.
Neben dem Auffinden von Wildtieren oder der Maiszünsler-bekämpfung bieten die Quadro-, Hexa- oder auch Oktokopter sowie die von Rucon selbst entwickelten Hypridfluggeräte aus Multicopter und Starrflügler nämlich noch zahllose weitere Einsatzmöglichkeiten.
Die Systeme aus unbemannten Fluggeräten, Software, Sensoren und Aktoren (wie etwa dem Dispenser) können nicht nur das Leben leichter machen und oft effizienter zu genaueren Ergebnissen führen als herkömmliche Verfahren. Ihr Einsatz nützt letztlich auch der Umwelt. Etwa wenn sie den – wie es Ruppe nennt – „teilflächenspezifischen“Einsatz von Pflanzenschutzoder Düngemitteln zum Ziel haben. Indem die mit Kameras bestückten Fluggeräte, die bis zu einer Höhe von maximal 100 Meter aufsteigen und – anders als Satelliten – auch bei bewölktem Himmel fliegen können,
sowohl normale Luftbilder als auch Infrarotaufnahmen liefern, ermöglichen sie den Landwirten zum Beispiel Aufschluss über das Stadium des Bewuchses und/oder den Befall von Pflanzen mit Schädlingen oder Pilzen. Statt Chemie dann mit der sprichwörtlichen Gießkanne auszubringen, kann sie punktgenau verteilt werden.
„Der Fahrer auf dem Trecker hat ein Terminal mit einem Programm, das ihm anzeigt, wo genau er wie viel Kilogramm ausbringt“, sagt Jörg Ruppe.
Ruppes Drohnensysteme kamen aber auch schon im Auftrag des Landesamtes für Bau und
Verkehr zum Einsatz. Etwa nach einem gigantischen Hangrutsch am Erfurter Kreuz. Die Drohne beflog das Gelände – und anhand der Bilder und Geländedaten konnte ein digitales Geländemodell erstellt und ermittelt werden, wie viele Kubikmeter Erde abgerutscht sind und wieder aufgefüllt werden mussten. Auf dieser Grundlage – gefertigt in viel kürzerer Zeit, als es ein Gutachter vermocht hätte – konnte die Behörde die Ausschreibung auslösen.
Drohnen, die viel kleiner und wendiger als Flugzeuge sind, können aber beispielsweise auch eingesetzt werden, um zu prüfen:
– ob Biogasanlagen dicht sind und kein Leck haben
– ob bei Ersatzpflanzungen exakt die geforderte Zahl von Bäumen gepflanzt wurde
– ob ein Holzpolter so aufgeschichtet wurde, dass von ihm keine Gefahr ausgeht
– ob Wälder von Schädlingen wie Borkenkäfern befallen sind.
Doch selbst die Berechnung der Holzmenge in einem Waldstück ist aus der Luft möglich: Musste bislang jeder einzelne Baum gezählt, sein Umfang in Brusthöhe und die Stammhöhe mit einer Kluppe ermittelt werden, kann der Wald jetzt beflogen
und sein Bewuchs durch das Drohnensystem, kombiniert mit einem handgetragenen Laserscanner, in viel schnellerer Zeit errechnet werden.
Jörg Ruppe, ausgezeichnet mit dem Thüringer Gründerpreis, hat noch viele weitere Ideen für die Nutzung der zivilen Drohnentechnologie. Und die Hoffnung, dass sie in Zukunft so intensiv genutzt wird, dass die Kosten für das Equipment weiter sinken. Eines Tages sollte für einen Landwirt die Nutzung der Drohne so selbstverständlich sein wie etwa die eines Schleppers.
Vorteile gegenüber Satellitenbildern