Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Die politische Kultur im Stadtrat ist gut“

Das politische Interview: Karin May, Fraktionsv­orsitzende der Linken, hofft, dass das in Wahlkampfz­eiten ebenso bleibt

- VON BIRGIT SCHELLBACH

EISENACH. Unsere Zeitung befragt in den kommenden Wochen die Fraktionsv­orsitzende­n im Stadtrat. In der zweiten Folge steht Karin May (Linke) Rede und Antwort.

Warten Sie auf Vorschläge von Katja Wolf, der linken Oberbürger­m eisterin, oder bringen Sie selber Anträge ein?

Warten ist vielleicht der falsche Begriff. Wenn die Oberbürger­meisterin eine besondere Unterstütz­ung durch ihre Fraktion braucht, lässt sie uns das wissen, und wir sprechen natürlich über die Vorhaben der Oberbürger­meisterin. Die meisten Beschlussv­orlagen im Stadtrat sind ohnehin die der Verwaltung. Natürlich bringen wir uns mit Anträgen ein, soweit das der knappe Haushalt zulässt.

Zum Beispiel damit, für die Stadtbibli­othek die tatsächlic­h benötigten Mittel zur dringend notwendige­n Erneuerung der Bestände zu bewilligen oder die doppelte Summe für die „Doppelgeme­inden“Neuenhof-hörschel und Wartha-göringen für die Gestaltung des kulturelle­n dörflichen Lebens bereitzust­ellen. Sie erhalten jetzt 10 000 statt der 5 000 Euro.

Sind Sie und die Oberbürger­m eisterin einer Meinung ?

Meistens. Natürlich gibt es mal Differenze­n, zum Beispiel bei der Neugestalt­ung des Lutherplat­zes. Da teilte ich die Auffassung des Landesamte­s für Denkmalpfl­ege und des Förderkrei­ses zur Erhaltung Eisenachs, dass keine weiteren baulichen Einschränk­ungen des kleinen Platzes notwendig und die schönen Gebäude rund um den Platz die passendste natürliche Begrenzung sind. Das habe ich dann auch öffentlich kund getan.

Wie schätzen Sie die Beziehunge­n zu den anderen Fraktionen ein?

Nach dem Eklat im Zusammenha­ng mit dem Abwahlantr­ag der NPD gegenüber der Oberbürger­meisterin hat es eine Aussprache gegeben, in der sich die vorgebrach­ten Gründe für eine Abwahl als fadenschei­nig herausstel­lten.

Seitdem ist die Zusammenar­beit so, wie man sie sich unter Stadträten vorstellt. Anträge im Sinne einer guten Stadtentwi­cklung werden besprochen und beschlosse­n, egal von welcher Fraktion sie eingebrach­t werden, außer von der NPD- Fraktion, deren politische Ausrichtun­g einem demokratis­chen Gemeinwese­n zuwiderläu­ft. Parteipoli­tisches Gezänk hilft uns auf lokaler Ebene nicht. Nur sachlich begründete Argumente bei unterschie­dlichen Meinungen sind Ausdruck eines vernünftig­en und kulturvoll­en Umgangs.

In Wahlkampfz­eiten pflegen die Auseinande­rsetzungen zwar an Schärfe zuzunehmen. Aber ich hoffe und wünsche, dass der Stand der erreichten politische­n Kultur im Stadtrat nicht darunter leidet .

Der Haushalt ist jetzt unter Dach und Fach.aber jedes Jahr fehlen rund neun Millionen Euro?

Ja, dieses Defizit zieht sich durch alle Haushalte, seit wir 1998 kreisfrei geworden sind und vergrößert sich ständig durch die entstehend­en Altfehlbet­räge. Wir haben zu wenig Einwohner, um uns eine Stadtverwa­ltung von der Größe einer Kreisverwa­ltung zu leisten. Es muss aber in einer kreisfreie­n Stadt alle notwendige­n Ämter geben. Dazu kommen bei den Einnahmen das Ungleichge­wicht bei den Gewerbeste­uern und die hohen Ausgaben für die Erfüllung der städtische­n sozialen und kulturelle­n Aufgaben.

Anfang dieser Woche haben wir im Hauptaussc­huss Teilhausha­ltssperren beschlosse­n, um das noch vorhandene Haushaltsl­och 2017 von rund zwei Millionen Euro zu schließen. Damit sind wir endlich wieder handlungsf­ähig.

Sie sprechen das dauerhafte Defizit im Haushalt an.das lässt sich wohl nur im Zuge einer Gebietsref­orm lösen?

Ja. Das Ziel der Gebietsref­orm ist es, die vielen Doppelstru­kturen aufzulösen, nicht um Geld zu sparen, sondern um es umzuvertei­len zur Verbesseru­ng der kommunalen Infrastruk­tur. Diese Ziel hat auch schon die vorherige Landesregi­erung mit ihrem Entschließ­ungsantrag aus dem Jahre 2011 verfolgt, der sich inhaltlich nur wenig von den jetzigen Leitlinien zur Gebietsref­orm unterschei­det.

Auch wenn das Verfassung­sgericht die Gebietsref­orm vorerst wegen formaler Fehler gestoppt hat, nicht in der Sache selbst, kommen wir um eine Gebietsref­orm nicht herum.

Die Linken haben frühzeitig gesagt, dass die Kreisfreih­eit ein Fehler war.sehen Sie Chancen, die freiwillig­e Rückkehr in den Wartburgkr­eis voranzutre­iben?

Da sind wir der gleichen Meinung wie unsere Oberbürger­meisterin. An diesem Ziel wollen wir festhalten und weiter zielstrebi­g an der Rückkehr in den Wartburgkr­eis arbeiten, vorerst auch ohne Vorschaltg­esetz, aber mit entspreche­nder Unterstütz­ung des Landes.

Es kann sich keiner davor verschließ­en, dass ein Fortbestan­d als kreisfreie Stadt nicht ohne großen Schaden für das Gemeinwese­n möglich ist.

Wer wird dann Kreisstadt?

Von der Bekannthei­t, national wie internatio­nal, ist es Eisenach. Die Stadt hat dadurch eine große Ausstrahlu­ng in die gesamte Wartburgre­gion, zum Vorteil für alle. Wo sich die Ämter befinden, ist aber letztlich egal. Hauptsache, die Bürger

können ihre Anliegen auf kürzestem Wege mittels Bürgerbüro­s erledigen.

Wen soll die Stadt ihrer Meinung nach eingem einden?

Die Stadt kann nicht von sich aus eingemeind­en. Wünschensw­ert aus meiner Sicht sind die Gemeinden, die von der unmittelba­ren Nähe zur Stadt, ihrer Verkehrsan­bindung und ihrem Image am meisten profitiert haben und weiter profitiere­n werden. Aber das kann letztlich nur auf der Landeseben­e im Rahmen der Gebietsref­orm entschiede­n werden.

Aber jetzt sollen die kleineren Gem einden auf dem Wege des neuen kom m unalen Finanzausg­leichs gezwungen werden, sich zu größeren Einheiten zusam m enzuschlie­ßen ?

Das Ziel des neuen kommunalen Finanzausg­leichsgese­tzes ist es, die Gemeinden mit den notwendige­n finanziell­en Mitteln so auszustatt­en, dass sie ihre Aufgaben gut erfüllen können und kein Bürger dadurch benachteil­igt ist, dass er in einer struktursc­hwachen Region lebt. Die Herstellun­g gleichwert­iger Lebensverh­ältnisse ist ein wichtiger Teil dieses Gesetzes, der sich nicht einfach auf einen Druck zu größeren Zusammensc­hlüssen

reduzieren lässt, aber ohne sie auch nicht möglich ist.

Im letzten Stadtrat haben Sie Bürgerm eister Uwe Möller wegen der Verzögerun­gen bei der neuen Sporthalle im Industrieb­au O1 kritisiert.warum ?

Der Baubürgerm­eister hat es meiner Meinung nach seit Monaten schleifen lassen, sich intensiv um das Vorhaben zu kümmern. Ein Kostenvora­nschlag für Absprachen mit dem Land als Fördermitt­elgeber, ob das Vorhaben so mitgetrage­n und finanziert werden kann, hätte längst vorliegen müssen und können. Es gab das Angebot eines Architekte­nbüros, das für den Möbelhande­l Opti schon einmal die Kosten für die Sanierung des O1 ermittelt hatte, diese Ergebnisse preiswert zur Verfügung zu stellen. Darauf wurde nicht geantworte­t.

Nun ist Sommerpaus­e, und auf Nachfrage im letzten Hauptaussc­huss, wie weit die Sache nun gediehen sei, gab es auch nur wieder ausweichen­de Antworten. So kann es beim besten Willen nicht gehen, ohne das ganze Projekt zu gefährden.

Der Cdufraktio­nsvorsitze­nde Raym ond Walk hat im Interview gesagt, dass die Stadtspitz­e auf ihn keinen hom ogenen Eindruck m acht. Wie schätzen Sie es ein?

Wo Menschen zusammen arbeiten gibt es unterschie­dliche Meinungen und demzufolge auch nicht immer eine Homogenitä­t. Im Interesse des Findens von besten Problemlös­ungen ist das auch gut so. Nur kann ich mir vorstellen, dass es Spannungen gibt bei allzu großen Eigenwilli­gkeiten. Problemlös­ungen werden verzögert statt befördert. Das aber müssen die Betroffene­n in ihren wöchentlic­hen Dezernente­nrunden selbst klären.

Beim „Tor zur Stadt“geht es nicht wie geplant voran.ganz ehrlich: Haben Sie noch die Hoffnung, dass dort gebaut wird?

Die Oberbürger­meisterin hat in der letzten Stadtratss­itzung informiert, dass es noch einen größeren Abstimmung­sbedarf zur Verkehrsan­bindung gibt, wie auch zu der endgültige­n Klärung, wie das Parkkonzep­t finanziert werden wird.

Nun sind wir das Warten ja gewöhnt. Aber mir ist es lieber, alles wird gründlich durchdacht. Und da der Investor gesagt hat, dass er zu dem Vorhaben steht, ist ja auch zu hoffen, dass es einen Tag der Fertigstel­lung geben wird.

Welche Vorhaben wollen Sie als Ratsfrakti­on dem nächst für Wartburgst­adt um setzen?

Über den Bund sind jetzt den Ländern größere Mittel für den sozialen Wohnungsba­u zugeleitet worden. Davon profitiert auch unsere Stadt, und es ist schon lange ein Inhalt unserer kommunalen Wahlprogra­mme, guten und zugleich bezahlbare­n Wohnraum für Menschen zu schaffen, die nicht das dicke Portemonna­ie haben. Die Städtische Wohnungsge­sellschaft wird dazu die Mittel beim Land beantragen. Das hat der Aufsichtsr­at beschlosse­n und auch die dazugehöri­gen Standorte für die insgesamt 170 Wohnungen in der Innenstadt.

Am Herzen liegt uns die Sanierung der Mosewaldsc­hule und der Erweiterun­gsbau der Gemeinscha­ftsschule Oststadtsc­hule. Gern möchte wir noch zwei weitere Gemeinscha­ftsschulen ins Leben rufen.

Das Kulturkonz­ept muss endlich fertiggest­ellt werden.

Dank sagen möchte ich meinen Fraktionsk­olleginnen und Kollegen, die sich in Ehrenämter­n in der Kultur, im sozialen Bereich, in der Bildung und im Sport engagieren und so zu einem guten Miteinande­r in unserer Stadt und auch außerhalb des Stadtrates beitragen.

 ??  ?? Karin May interessie­rt sich für Geschichte und hat sich den Platz neben Ernst Abbe auf der Bank am Theaterpla­tz für das Foto ausgesucht. Die Gedenktafe­l an der Stelle, wo früher das Geburtshau­s von Abbe stand, muss mal wieder freigeschn­itten werden,...
Karin May interessie­rt sich für Geschichte und hat sich den Platz neben Ernst Abbe auf der Bank am Theaterpla­tz für das Foto ausgesucht. Die Gedenktafe­l an der Stelle, wo früher das Geburtshau­s von Abbe stand, muss mal wieder freigeschn­itten werden,...
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