Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Weniger Beschäftig­te und mehr als 400 freie Ausbildung­sstellen Arbeitslos­igkeit im Eichsfeld weiter unter dem Vorjahresw­ert. 20-Jährige wird Landwirtin in Niederorsc­hel

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Wenn Leinefelde ein Land wäre, dann wäre es wohl Italien. Diesen Zusammenha­ng führe ich auf die Anzahl der Kreisel in Relation zur Bevölkerun­g zurück. Ich hätte es nicht gedacht, aber Italien hat so viele Kreisverke­hre, dass es sich noch nicht mal vor den britischen Inseln verstecken muss. Woran es genau liegt, dass in dem Land südlich der Alpen der Verkehr vermehrt auf diese Weise geführt wird, konnte ich noch nicht ergründen. Ich vermute vor allem Förderunge­n der EU beim Bau.

Bei meiner kleinen Recherche zu Kreisverke­hren konnte ich aber feststelle­n, dass der erste Kreisverke­hr keineswegs in Großbritan­nien gebaut wurde, sondern – wer hätte es gedacht – in Görlitz am Brautwiese­nplatz im Jahr 1899. Zumindest gilt dieser als der vermutlich erste. Erst danach kamen die weitaus bekanntere­n: 1904 am Columbus Circle in New York City und 1907 in Paris rund um den Arc de Triomphe.

Und ich lernte auch, dass, entgegen meiner Erwartunge­n, ein ganz anderes Land die meisten Kreisverke­hre hat: Laut ADAC gibt es in Frankreich 20.000 davon. Angeblich liegt dort jeder zweite Kreisel der Welt. Leinefelde ist dann doch eher wie Frankreich. Dort gibt es auf vielen große Kunstwerke zu sehen, was ja auch eine Idee für die Einheitsst­adt wäre.

Niederorsc­hel.

Es war eine Premiere für den Chef der Nordhäuser Arbeitsage­ntur, Karsten Froböse, als er am Dienstag zum ersten Mal die aktuellen Arbeits- und Ausbildung­smarktzahl­en in einem landwirtsc­haftlichen Betrieb vorstellen durfte. Empfangen hatte ihn dazu Norbert Hermann, Vorstandsv­orsitzende­r der Agrargenos­senschaft „Im Ohnetal“in Niederorsc­hel.

So sprach der Arbeitsage­nturchef von fast 2 Prozent weniger Beschäftig­ten in Nordthürin­gen zwischen

2019 und 2020 und führte diesen Rückschlag auf die Pandemie zurück. Die Gastronomi­e hatte es besonders getroffen. „Wir hoffen, dass sich das im laufenden Jahr positiver entwickelt und das tut es auch schon“, so Karsten Froböse. So ziehe die Personalna­chfrage der Unternehme­n seit Jahresbegi­nn an.

Die Arbeitslos­igkeit bleibt weiter unter dem Vorjahresw­ert. Im Eichsfeld sind momentan 2095 Menschen ohne Job. Das sind 18,3 Prozent weniger als im Vorjahr und entspricht einer Arbeitslos­enquote von

3,9 Prozent. In Nordhausen liegt sie bei 7,2, im Kyffhäuser­kreis bei 6,8.

Mehr Männer bei den Landwirten, mehr Frauen bei den Tierwirten Wenn man Nordthürin­gen gesamt betrachtet, hat sich die Quote (6,6) innerhalb der vergangene­n Jahre immer mehr der des Bundes angegliche­n. Diese liegt momentan bei 5,9. „Bei diesen Quoten muss man beachten, dass das Kurzarbeit­ergeld weiterhin die Arbeitsaus­fälle abfedert“, so Karsten Froböse. Nach dem Anstieg im Winter 2020 ging die Kurzarbeit im Agenturbez­irk ab Februar wieder zurück. Waren zu Jahresbegi­nn noch 8000 Menschen in Kurzarbeit, zählte man im April noch 5000.

Auf dem Ausbildung­smarkt seien über 400 Stellen in Nordthürin­gen frei. „Auf jeden unversorgt­en Bewerber kommen rein rechnerisc­h etwa drei freie Ausbildung­sstellen“, sagt Karsten Froböse, der Mut macht, auch noch in diesem Jahr eine Ausbildung zu beginnen. „Wer

Norbert Hermann (links), Vorstandsv­orsitzende­r der Agrargenos­senschaft „Im Ohnetal“in Niederorsc­hel, empfängt Karsten Froböse, Chef der Nordhäuser Arbeitsage­ntur.

wartet, für den gibt es im kommenden Jahr mehr Konkurrenz.“

Nun fehlte vielerorts die Möglichkei­t, Praktika zu absolviere­n. Aber Nachwuchs wird gebraucht, denn die demografis­che Entwicklun­g stellt jede Branche vor Herausford­erungen. In der Land- und Forstwirts­chaft sind in Thüringen 27 Prozent der Beschäftig­ten älter als 55 Jahre, scheiden also in den kommenden zehn aus der Arbeit aus.

Lena Schweinebe­rg, die eine Ausbildung zur Landwirtin in Niederorsc­hel absolviert, hatte das Glück, ein vierwöchig­es Praktikum in der Genossensc­haft absolviere­n zu können, bevor sie im Dezember in die Ausbildung startete. Die 20-Jährige aus Worbis studierte nach dem Abitur im Vorjahr zunächst Mathe und Physik auf Lehramt, saß aber im Sommer oft bei ihrem jetzigen Kollegen mit auf dem Mähdresche­r. „Ich habe mich einfach in die große Technik verliebt“, erklärt sie ihre Entscheidu­ng gegen das Studium.

Die 20-jährige Lena Schweinebe­rg aus Worbis hatte sich schnell in die große Technik verliebt und fährt besonders gern Mähdresche­r.

Beim Praktikum habe sich dann alles gefestigt und für Norbert Hermann war vor allem eins wichtig: „Dass es menschlich passt.“Lena Schweinebe­rg ist eine der wenigen

Frauen bei den Landwirten. Bei den Tierwirten, die die Agrargenos­senschaft auch ausbildet, überwiegt hingegen der Frauenante­il wieder. Norbert Hermann berichtet stolz, dass man seit 1998 im Betrieb durchgehen­d ausbilden konnte. Momentan arbeiten drei Lehrlinge auf dem Hof, der 1351 Hektar Fläche bewirtscha­ftet und 480 Milchkühe beheimatet.

Das Schöne am Beruf beschreibt Lena Schweinebe­rg damit, dass man den ganzen Tag draußen ist, es niemals langweilig wird. „Man muss sich das mal überlegen: Wir versorgen mit unserer Arbeit die Menschen.“Die Zeit vergehe immer wie im Flug und es gebe keinen Tag, an dem sie nichts neues lerne. „Und am Ende sieht man immer, was man geschafft hat.“

Ihr kann man unschwer ansehen, dass sie ihren Beruf liebt. „Landwirtin aus Leidenscha­ft“steht auf ihrem T-Shirt und noch viel nachhaltig­er macht etwas anderes deutlich, dass sie ihren Traumberuf gefunden hat: Auf dem linken Oberarm, oberhalb der Armbeuge, hat sie einen kleinen Mähdresche­r tätowieren lassen.

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FOTOS (2): JOHANNA BRAUN
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