Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Die bittere Bilanz der Rettung Die Bundeswehr hat mehr als 4500 Menschen aus Afghanistan gebracht. Aber über 40.000 Ortskräfte einschließlich Familienangehörigen bleiben zurück
Liebe Leserinnen, liebe Leser. Eine langjährige Freundin will mir demnächst ein paar ihrer alten Fotoalben zeigen. Darin befinden sich Bilder, die uns vor vielen Jahren zeigen. Zudem hat sie Konzertkarten von damals eingeklebt.
Ach, wie altbacken, mag jetzt mancher denken. Digitalisiert das Zeug und zeigt es allen.
Nein, ich bin froh um jeden, der noch auf die gute alte Foto-Betrachtung setzt und unsere privaten Momente nicht ins Netz stellt. Fast jeder von uns hat mittlerweile so viele Bilder auf Facebook, über Whatsapp und auf anderen Kanälen gesehen, die vor allem eines waren: peinlich. Und wenn das Zeigen ungefragt geschieht, ist das eine Grenzverletzung unter Freunden. Ja, ich weiß: Nicht jede Person ist auf die Trennung von Öffentlichem und Privatem bedacht.
Und manchen ist einfach nicht klar, dass sie ihr Familienleben quasi im Schaufenster ausstellen, obwohl sie doch eigentlich nur Bekannte und Verwandte an einer netten Begebenheit teilhaben lassen wollen. Darum sagt die Sicherheitsexpertin Ildikó Bruhns so deutlich: Mütter und Väter sollten sich vor dem Veröffentlichen fragen, ob sie das auch posten würden, wenn sie als Kind darauf zu sehen wären.
Ich finde, das gilt auch unter Freunden. Das setzt voraus, dass die Privatsphäre für wichtig erachtet wird. – Ich freue mich auf den Abend, an dem mir meine Schulfreundin ihre Fotos aus unserer Jugend zeigt. Wir werden viel Spaß haben bei all den Erinnerungen, die gewiss wach werden. Aber öffentlich machen wir das alles bestimmt nicht.
Kabul/Berlin.
Der Abschied war abrupt, kurz und unrühmlich. In der Nacht zum Dienstag hob das letzte US-Militärflugzeug aus der afghanischen Hauptstadt Kabul ab. Während der Wind Müll auf die Startbahn des Flughafens blies, hofften Tausende Menschen vor den Gates bis zum Schluss, auf eine Maschine zu kommen. Die radikalislamischen Taliban feuerten vor Freude Gewehrschüsse in die Luft. Es war das Ende des knapp 20 Jahre andauernden internationalen Militäreinsatzes am Hindukusch. Wie viele Ortskräfte, die für deutsche Stellen gearbeitet hatten, konnten gerettet werden? Wie viele Menschen mussten zurückbleiben? Wer hat jetzt noch Anspruch auf eine Evakuierung? Eine Bilanz am Tag eins nach dem Abzug der Amerikaner.