Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Radsportler und Leichtathleten holen Medaillen
2012 gewann Annika Zeyen noch im Rollstuhlbasketball, nun jubelte sie als Radfahrerin
Oyama/Tokio. Annika Zeyen hat neun Jahre nach ihrem Triumph im Rollstuhlbasketball die vierte deutsche Goldmedaille bei den Paralympics gewonnen – diesmal aber im Radfahren. Sie gewann das Zeitfahren auf der ehemaligen Formel1-Strecke am Fuße des Fuji. Dreirad-Fahrerin Jana Majunke setzte sich im Zeitfahren ihrer Klasse über
16 Kilometer durch. Ihre Vereinskollegin Angelika Dreock-Käser holte Bronze. Im Zeitfahren der Klasse C3 wurde Steffen Warias Zweiter. Matthias Schindler belegte Rang drei. Silber gab es für Handbiker Vico Merklein im Zeitfahren. Sebastian Dietz sicherte sich Bronze im Kugelstoßen. ProthesenSprinterin Irmgard Bensusan holte Silber über 200 Meter.
Ihre für diesen Sommer geplante Hochzeit hatte Annika Zeyen verschoben, um ein Stück Paralympics-Geschichte zu schreiben. Der Plan ging auf. Und als sie tatsächlich in der zweiten SommerSportart Paralympics-Gold gewonnen hatte, war ihr Verlobter der erste Gratulant. Von England aus rief er eine Kollegin Zeyens an und ließ sich durchstellen. „Schön, wenn man Kolleginnen im Ziel hat“, sagte Zeyen. Sie arbeitet als Brand Manager für das Internationale Paralympische Komitee (IPC).
Ihr Sieg im Zeitfahren an einem erfolgreichen deutschen Rad-Tag mit acht Medaillen war nicht nur ungewöhnlich, weil sie die einzige IPC-Angestellte ist, die in Tokio startet und die einzige, die je einen Titel holte. Sondern auch, weil die querschnittsgelähmte Bonnerin 2012 Gold im Rollstuhlbasketball gewonnen hatte. „In zwei verschiedenen Sportarten Gold zu gewinnen, ist unglaublich. Das kann man nicht toppen“, sagte die 36-Jährige. Seit zweieinhalb Jahren absolviert sie internationale Handbike-Rennen. Es war der sportliche Höhepunkt an einem aus deutscher Sicht sehr emotionalen Tag auf der ehemaligen Formel-1-Strecke am Fuße des Fuji. In Zeiten der Professionalisierung im Para-Sport sind Siege in zwei so unähnlichen Sportarten eigentlich kaum machbar.
„Schon als Basketballerin bin ich für die Ausdauer immer Handbike gefahren. So ganz abwegig war das also nicht“, sagte Zeyen lachend. Als sie 2016 ihre Basketball-Karriere
beendete, versuchte sie sich dennoch zuerst als Rennrollstuhlfahrerin in der Leichtathletik. „Das hat mir Spaß gemacht, aber ich konnte es verletzungsbedingt nicht fortsetzen“, sagte sie: „Heute bin ich überglücklich, dass ich das Handbike gewählt habe.“Ein Zeitfahren hatte sie zuvor noch nie gewonnen. „Heute war ein wirklich guter Augenblick dafür“, sagte sie fröhlich.
Mit Basketball hatte sie aufgehört, um sich nicht mehr nach den Trainingszeiten des Vereins und der Nationalmannschaften richten zu müssen. „Im Einzelsport trainiert man nicht weniger, aber flexibler“, sagte sie. Und obwohl die beiden Sportarten sich auf den ersten Blick grundlegend unterscheiden, hat sie viel aus ihrer ersten Karriere mitgenommen. „Ich war schon viele Jahre Leistungssportlerin“, sagte sie: „Ich weiß, was es heißt, sich zu quälen. Und ich bin sehr ehrgeizig und trainingsfleißig.“
Deshalb wurde nach der coronabedingten Absage der Spiele im Vorjahr die Hochzeit verschoben. Nun tritt Annika Zeyen als doppelte Paralympicssiegerin vor den Altar.