Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Wer 16 ist, darf in Thüringen wählen
Landesverfassungsgericht lehnt Eilantrag der AFD ab
ERFURT. Bei den Kommunalwahlen Mitte April in Thüringen können auch 16- und 17-Jährige ihre Stimme abgeben. Der Verfassungsgerichtshof in Weimar lehnte am Dienstag einen Eilantrag der Afd-landtagsfraktion ab. Diese scheiterte damit mit ihrem Ziel, die Anwendung des vom Landtag 2015 von 18 auf 16 Jahre gesenkte Mindestwahlalter bei Kommunalwahlen zu verhindern. Am 15. April werden in Thüringen Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister neu gewählt. Nach Angaben des Verfassungsgerichts hatte die Afd-fraktion die „Außervollzugsetzung der Regelung zur Absenkung des Mindestalters bei Kommunalwahlen“beantragt. Dem wurde ebenso wenig stattgegeben wie dem Afd-antrag, die Wahlunterlagen minderjähriger Wähler besonders zu kennzeichnen.
Nach Angaben eines Sprechers des Verfassungsgerichts steht ein Termin für die Verhandlung über die Verfassungsklage der AFD – und damit das Hauptverfahren – gegen das abgesenkte Mindestwahlalter noch nicht fest.
Für Verfassungsgerichtspräsident Manfred Aschke war es der letzte Tag: Er ist ab heute im Ruhestand. (dpa)
ERFURT. Manfred Baldus, gerade als Verfassungsrichter vereidigt, hat den Plenarsaal noch nicht verlassen. Er bleibt für ein Foto am Rande stehen. Gerade haben die Fraktionschefs ihm einig gratuliert und Blumensträuße übergeben. Gleich sollen sich ihre Vertreter vom Rednerpult aus heftig auseinandersetzen.
Hintergrund ist der Fund von Sprengstoff und 100 Kilo Chemikalien in der vergangenen Woche in Rudolstadt und Uhlstädt-kirchhasel. Und der politische Umgang mit dieser brisanten Entdeckung der Thüringer Polizei. Denn ein Beschuldigter ist Mitglied eines Demokratiebündnisses gewesen und wurde auf dessen Internetseite bis vergangenen Donnerstagmorgen noch als dessen Pressesprecher geführt. Außerdem steht der 31Jährige in Verbindung mit mindestens einer Autonomen-gruppe (TLZ berichtete). Innenminister Georg Maier wiederholt im Plenum dennoch, dass es bisher keine Anhaltspunkte für ein politisches Motiv sowie konkret mit dem Sprengstoff geplante Taten gebe. Der zweite Beschuldigte, ein 25-jähriger Arbeitsloser mit kleinkrimineller Laufbahn, war einen Tag inhaftiert.
Mike Mohring, Fraktionschef der CDU, macht deutlich, dass er keine Relativierung dulden will. „Das ist kein Budenzauber“, ruft er vom Rednerpult in den Plenarsaal – unter eifrigen Zwischenrufen aus der Linkefraktion. Deutlich tritt der Abgeordnete Steffen Harzer hervor, der ihm vorwirft, dass die Cdu-fraktion bei einem Sprengstoff-fund und ausgehobenen Labor im vergangenen Jahr geschwiegen habe. Beim Beschuldigten waren rechte Tendenzen bekannt geworden.
Das wiederholt später der innenpolitische Sprecher der Linken, Steffen Dittes, vom Rednerpult. Er wirft Mohring vor, ein Sekundant der AFD zu sein. Wieder Zwischenruf. Diesmal Mohring: „Immer schön relativieren.“Eine Mohring-zwischenfrage, ob der Unterschied zwischen Heiligenstadt und dem jetzt vorliegenden Fall nicht darin bestehe, dass diesmal eindeutige politische Aktivitäten eines Beschuldigten vorliegen würden und Dittes dem zustimme, beantwortet dieser unter freundlicher Umgehung eben jener
Frage. Stattdessen folgt die Mahnung zur Sachlichkeit in der Debatte. Die Ermittlungen abzuwarten, das sei geboten, so der Linke. Denn man wisse bisher nicht um die Motive.
Diana Lehmann (SPD) distanziert sich deutlich von der Tat: „Das ist kein Kavaliersdelikt.“Die stattgefundene Debatte habe allerdings dazu geführt, dass die Arbeit von Bürgerbündnissen diffamiert werde, weil einer der Beschuldigten ein Mitglied gewesen sei. „Zu dieser Debatte gehört auch, dass keine Diffamierung stattfinden darf“, macht Lehmann deutlich.
Afd-fraktionschef Björn Höcke wiederholt einen Vorwurf,
dass das Bündnis aus Saalfeldrudolstadt in der Vergangenheit zur Gewalt aufgerufen habe – prompter Zwischenruf aus den Koalitionsfraktionen: „Lüge.“Höcke stellt die Frage, ob staatliche Fördermittel möglicherweise für den Bombenbau verwendet wurden. Der Fraktionschef droht, „das Netzwerk aufzudecken“und zeigt sich überzeugt, „dass hier wahrscheinlich tatsächlich ein Kapitalverbrechen“vorbereitet worden sei.
Dass Dirk Adams (Grüne) bereits an sich halten muss, ist deutlich zu spüren während eben dieser Höcke-rede. Sekunden später am Rednerpult entlädt sich die Wut auf die AFD mit den Worten „Lüge“und „diffamierende Rede“. Der Grüne, der Sache dann zugewandt, macht klar: „Es wird bei Straftaten kein Pardon gewährt.“
Die parlamentarische Debatte beenden die Koalitionsfraktionen nach zweieinhalb Stunden – vorerst. Sie lehnen die Ausschussüberweisung der Anträge von CDU und AFD ab – darin wird unter anderem von der Union eine Verbunddatei Linksextremismus und von der AFD eine Extremismus-klausel gefordert (TLZ berichtete). Allerdings wird der Innenausschuss sich erneut dem Fall zuwenden. Innenminister Georg Maier (SPD) merkte an, dem Landtag bereits einen Selbstbefassungsantrag zugeleitet zu haben.
„Mir ist das vollkommen wurscht, ob das Linksextreme oder Rechtsextreme sind.“Wolfgang Fiedler, innenpolitischer Sprecher der Cdufraktion im Thüringer Landtag