Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Die Klangvielfalt der Völker im Fokus
Professur für transkulturelle Musikforschung wird heute Abend feierlich als zwölfter Unescolehrstuhl in Deutschland eingerichtet
WEIMAR. Der Weg ins Büro von Tiago de Olivera Pinto ist verwinkelt und führt ganz nach oben. Es ist, das liegt an der Architektur der wilhelminischen Streichhan-kaserne, die heutzutage von der Musikhochschule bewohnt wird, insofern ein Aufstieg in den Elfenbeinturm.
Damit hat sich’s aber auch. Ansonsten hat der Lehrstuhl für transkulturelle Musikforschung mit Elfenbeinturm so gar nichts zu tun. Hier wird angewandte Musikwissenschaft betrieben, in der man, nur mal zum Beispiel, auch Trommeln baut.
Das wird sich aber auch heute Abend zeigen, wenn der Professor bereits zum zweiten Mal eine Antrittsvorlesung in Weimar hält. Darin lässt Tiago de Olivera Pinto vor allem die Musik davon sprechen, worum es am Lehrstuhl geht. Studenten spielen auf Marimbas, eine Sängerin improvisiert zur arabischen Ney-flöte, Chitravina N Ravikiran aus Südindien lässt die Langhalslaute Chitravina erklingen, eine indische Tänzerin tritt auf, aber auch Birkenblattbläser aus dem Harz sowie Jazzer Günter Baby Sommer, der seine Musik auf Instrumenten aus aller Welt spielt. Nicht zuletzt steht ein Edison-phonograph für die Anfänge jener Wissenschaft, die sich als theoriebehaftete Musikethnologie der Klangvielfalt der Völker widmete. Eine Klanginstallation von Robin Minard wird mit solchen Walzenaufnahmen arbeiten, die Gesänge der Yekuana aus dem Amazonasgebiet festgehalten haben.
Vor acht Jahren eingerichtet am gemeinsamen Institut mit der Uni Jena und seitdem vom Brasilianer de Olivera Pinto besetzt, hat der Lehrstuhl weltweit Maßstäbe gesetzt. Nun erfährt er eine deutliche internationale Aufwertung: als weltweit erster der Musikwissenschaften, den die Unesco auf Antrag des Auswärtigen Amtes in ihr Programm aufnimmt. Es ist der zwölfte Unesco-lehrstuhl in Deutschland, insgesamt gibt es 700.
Angesiedelt bei der Sektion für immaterielles Kulturerbe, das dem Professor zufolge ohnehin zu 70 Prozent mit Musik zu tun hat, war und ist die Arbeit sehr politisch. Nicht zufällig war ein großer Schwerpunkt vergangener Jahre Afghanistan, um dort alte Musiktraditionen zu bewahren – und nicht zuletzt vor den Taliban zu retten (wir berichteten).
Ebenso bemüht man sich um südafrikanische Obertonmusik: polyphones Singen, das als immaterielles Kulturerbe infrage kommt. Über Forschung und Dokumentation dazu tritt der Lehrstuhl dabei als Dienstleister der Unesco auf.
Gar nicht so zufällig auch, dass dieser nun drei Tage vor dem Rudolstadt-festival feierlich eingerichtet wird. Mit diesem kooperiert man seit Jahren und veranstaltet Symposien. Nach China und Tansania, Kolumbien und Norwegen befasst sich das nächste am kommenden Freitag, 7. Juli, nunmehr mit der Musik Schottlands.
Weltweit Maßstäbe gesetzt
• Die feierliche Lehrstuhl-einrichtung ist für den heutigen Montag,
Uhr, im Fürstenhaus Weimar angekündigt.