Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Thüringen bei Jagdtouristen beliebt
Kritiker: Eine Problemlösung für Überpopulationen ist die Gastjagd aber selten
ERFURT. Thüringens Wälder sind bei Jagdtouristen beliebt. Voriges Jahr seien allein in staatlichen Wäldern etwa ein Drittel der erlegten Tiere von Gastjägern geschossen worden, sagte Horst Sproßmann von der Landesforstanstalt. Vor allem aus Bayern, Baden-württemberg und Nordrhein-westfalen kämen zahlende Gäste, um an Jagden teilzunehmen. Beliebt seien dabei der Thüringer Wald, der Harz und das Thüringer Schiefergebirge, wobei vor allem die Jagd auf Rotwild hoch im Kurs steht. Der Landesjagdverband konnte zu Zahlen von Gastjagden keine Angaben machen.
Kritiker sehen vor allem jene Jagdgäste mit Argwohn, die in erster Linie der Trophäen wegen nach Thüringen kommen. „Diese Art des Jagdtourismus ist aus unserer Sicht sehr ineffektiv“, sagte Matthias Hellmund, Vorsitzender des Ökologischen Jagdvereins Thüringen (ÖJV). Oft komme es vor, dass zahlende Jäger etwa in Gebieten mit zu viel Rotwild nur den Wert einer Trophäe im Blick hätten und ausschließlich kapitale Hirsche erlegen wollten. Das helfe aber nicht, die Bestände zu regulieren. „Das Wild wird beunruhigt und es passiert nichts für das Ökosystem. Das ist nicht der Sinn und Zweck der Jagd.“
Gerade bei der Pachtjagd spielten die Trophäen nach wie vor eine elementare Rolle. Preise von rund 6500 Euro für einen kapitalen Hirsch seien eine lukrative Einnahmequelle. Besonders für die Eigentümer der Waldflächen könne das aber schnell zum Problem werden: „Viele Flächenbesitzer schimpfen, weil durch die mangelnde Bejagung viel Verbiss an Bäumen stattfindet“, erläuterte Hellmund. Wer Jagdrechte verpachte, solle daher nicht immer nur darauf achten, wer die höchste Summe biete.
„Man muss sich nicht wundern, wenn derjenige, der am meisten zahlt, dann auch das Meiste herausholen will.“Die moderne Jagd sei vor allem eine Dienstleistung am Waldbesitzer und am Ökosystem und dürfe sich nicht in erster Linie um Trophäen drehen.
Auch bei der Landesforstanstalt liegen die Prioritäten ähnlich. „Die Jagdeinnahmen tragen nur mit etwa 4 bis 5 Prozent zum Umsatz von Thüringenforst bei“, sagte Sproßmann. „Die durch überhöhte Wildbestände hervorgerufenen Wildschäden verursachen durch Holzentwertung dagegen jährliche Millionenverluste.“Ziel sei es daher, die Wildbestände insgesamt zu regulieren, zur Refinanzierung der Kosten sei der Jagdtourismus nicht geeignet.
Immer mehr Jäger folgten bereits dem Grundsatz „Zahl statt Wahl“, sagte Hellmund. Ein wichtiger Schritt sei die Abschaffung der „Güteklassen“für jagdbares Wild, die den Abschuss vor allem an der Qualität des Geweihs festmachen. Sinnvoller sei eine Einteilung nach Altersklassen. (dpa)