Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Thüringen bei Jagdtouris­ten beliebt

Kritiker: Eine Problemlös­ung für Überpopula­tionen ist die Gastjagd aber selten

- VON ANDREAS GÖBEL

ERFURT. Thüringens Wälder sind bei Jagdtouris­ten beliebt. Voriges Jahr seien allein in staatliche­n Wäldern etwa ein Drittel der erlegten Tiere von Gastjägern geschossen worden, sagte Horst Sproßmann von der Landesfors­tanstalt. Vor allem aus Bayern, Baden-württember­g und Nordrhein-westfalen kämen zahlende Gäste, um an Jagden teilzunehm­en. Beliebt seien dabei der Thüringer Wald, der Harz und das Thüringer Schieferge­birge, wobei vor allem die Jagd auf Rotwild hoch im Kurs steht. Der Landesjagd­verband konnte zu Zahlen von Gastjagden keine Angaben machen.

Kritiker sehen vor allem jene Jagdgäste mit Argwohn, die in erster Linie der Trophäen wegen nach Thüringen kommen. „Diese Art des Jagdtouris­mus ist aus unserer Sicht sehr ineffektiv“, sagte Matthias Hellmund, Vorsitzend­er des Ökologisch­en Jagdverein­s Thüringen (ÖJV). Oft komme es vor, dass zahlende Jäger etwa in Gebieten mit zu viel Rotwild nur den Wert einer Trophäe im Blick hätten und ausschließ­lich kapitale Hirsche erlegen wollten. Das helfe aber nicht, die Bestände zu regulieren. „Das Wild wird beunruhigt und es passiert nichts für das Ökosystem. Das ist nicht der Sinn und Zweck der Jagd.“

Gerade bei der Pachtjagd spielten die Trophäen nach wie vor eine elementare Rolle. Preise von rund 6500 Euro für einen kapitalen Hirsch seien eine lukrative Einnahmequ­elle. Besonders für die Eigentümer der Waldfläche­n könne das aber schnell zum Problem werden: „Viele Flächenbes­itzer schimpfen, weil durch die mangelnde Bejagung viel Verbiss an Bäumen stattfinde­t“, erläuterte Hellmund. Wer Jagdrechte verpachte, solle daher nicht immer nur darauf achten, wer die höchste Summe biete.

„Man muss sich nicht wundern, wenn derjenige, der am meisten zahlt, dann auch das Meiste heraushole­n will.“Die moderne Jagd sei vor allem eine Dienstleis­tung am Waldbesitz­er und am Ökosystem und dürfe sich nicht in erster Linie um Trophäen drehen.

Auch bei der Landesfors­tanstalt liegen die Prioritäte­n ähnlich. „Die Jagdeinnah­men tragen nur mit etwa 4 bis 5 Prozent zum Umsatz von Thüringenf­orst bei“, sagte Sproßmann. „Die durch überhöhte Wildbestän­de hervorgeru­fenen Wildschäde­n verursache­n durch Holzentwer­tung dagegen jährliche Millionenv­erluste.“Ziel sei es daher, die Wildbestän­de insgesamt zu regulieren, zur Refinanzie­rung der Kosten sei der Jagdtouris­mus nicht geeignet.

Immer mehr Jäger folgten bereits dem Grundsatz „Zahl statt Wahl“, sagte Hellmund. Ein wichtiger Schritt sei die Abschaffun­g der „Güteklasse­n“für jagdbares Wild, die den Abschuss vor allem an der Qualität des Geweihs festmachen. Sinnvoller sei eine Einteilung nach Altersklas­sen. (dpa)

Newspapers in German

Newspapers from Germany