Kriegsbedingt verspätet
Heute vor 150 Jahren eröffnete das Theater Altenburg. Dazu erscheint eine Festschrift
Altenburg. Mehrere Monate muss Altenburg auf die feierliche Eröffnung seines neuen Theaterhauses im Jahr 1871 warten. Die ursprünglichen Pläne wurden vom Deutschfranzösischen Krieg durchkreuzt. Landesherr Herzog Ernst I. von Sachsen-altenburg selbst beteiligt sich mit seinen Soldaten an der Belagerung von Paris.
Wie vor 150 Jahren finden auch die diesjährigen Jubiläumsfeierlichkeiten unter widrigen Umständen statt – coronabedingt. Aufschieben wird das Theater Altenburg-gera den runden Geburtstag dennoch nicht.
Heute auf den Tag genau wird die Festveranstaltung via Streaming ausgestrahlt. Zudem erscheint eine Festschrift im renommierten Verlag Theater der Zeit. Insgesamt 262 Seiten und knapp 1,5 Kilogramm umfasst das opulente Werk, wie Chefdramaturg Felix Eckerle als einer der Herausgeber sagt. 40 Seiten allein nehme die Chronik der Premieren ein.
Das Buch vereint Interviews mit Akteuren, Erlebnisberichte und Gastbeiträge, etwa von Fusions-intendant Michael Schindhelm oder Ex-dramaturg und Autor Ingo Schulze. Besonders glücklich ist Chefdramaturg Eckerle, dass er historische Fotos von den Altenburger Inszenierungen Wieland Wagners aufspüren konnte. „Eine Sensation“, wie Verleger Harald Müller betont.
Theater-architekt errichtet Bayreuther Festspielhaus
Das Theater wurde im Jahr 1943/44 als Ausbildungsstätte für den Wagner-enkel auserkoren. Der Nsstaat will ihn seinerzeit bewusst als künftigen Leiter der Bayreuther Festspiele aufbauen. Dafür werden nicht nur großzügig finanzielle Mittel bereitgestellt. Es werden auch namhafte Sänger engagiert und sogar beantragt, Solisten aus dem Krieg zurückzuholen.
Insgesamt inszeniert Wieland Wagner sechs Opern in Altenburg, darunter auch die vier Teile des Nibelungen-rings. Die Neu-bayreuther Ästhetik, etwa mit ihrer Entrümpelung der Bühne, habe hier ihren Anfang, sagt Chefdramaturg Eckerle.
Architektonisch gibt es ebenfalls Verbindungen zu Wagner und Bayreuth. Baumeister Otto Brückwald errichtet unmittelbar nach der Fertigstellung des Altenburger Theaters auch das Bayreuther Festspielhaus, die Heimat der legendären
Wagner-festspiele. In thüringischen Altenburg führt Brückwald den Entwurf von Baurat Julius Enger aus, eines treuen Schülers von Gottfried Semper. Enger hatte das Theater als eine Art kleine Version der Dresdener Semperoper konzipiert. Dass die Ähnlichkeit heute nicht mehr augenscheinlich ist, liegt an der baulichen Erweiterung des Foyers zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Die Eröffnung wurde am 16. April 1871 mit Webers „Freischütz“gefeiert. Die Partie der Agathe singt damals die talentierte junge Sängerin Marie Chmelik. Kapellmeister Friedrich Wilhelm Stade sei von ihr so begeistert gewesen, dass er sie heiratet, erzählt Felix Eckerle.
Nachdem das Haus mit Musiktheater, Schauspiel und Hofkapelle – eine der ältesten überhaupt – startet, wird in den Dreißigern die zusätzliche Ballett-sparte aufgebaut. Mit der Fusion 1995 kommt noch das Puppentheater hinzu.
Schriftsteller Ingo Schulze erlebt die Wendezeit am Altenburger Theater. Gemeinsam mit dem Schauspiel trägt er dazu bei, dass das Haus den Herbst 1989 in der Stadt geistig vorbereitet. Man verliest etwa die Resolution des Staatsschauspiel Dresden auf der Bühne, ertrotzt eine zensurfreie Matinee und beteiligt sich auffällig an diversen Demonstrationen in Leipzig und Altenburg.
Obwohl das Theater Altenburg in seiner 150-jährigen Geschichte so einige Krisen durchlebt habe, habe es nie so eine lange Spielpause gegeben wie in der Corona-pandemie, sagt Chefdramaturg Felix Eckerle. „Selbst im Ersten und Zweiten Weltkrieg nicht.“
„150 Jahre Theater Altenburg“kann bis Sonntag für 19 Euro auf der Theaterhomepage vorbestellt werden. Ab Montag gilt der Ladenpreis von 24 Euro.