„Mir rinnt in meinem Alter die Zeit durch die Finger“
Entertainer Gunther Emmerlich über Kultur in Zeiten von Corona, Trauer und einen Auftritt mit Kollegen Thomas Thieme
Erfurt. Gunther Emmerlich will sich von der anhaltenden Corona-pandemie nicht zur Untätigkeit zwingen lassen. Und so hat der Entertainer und Sänger den Lockdown genutzt und in Erinnerungen gekramt. Aus diesen hat er ein Buch entstehen lassen, „Fortgeschritten“heißt sein mittlerweile viertes Werk, das sich um allerlei Vergangenes, Amüsantes, Gegenwärtiges wie Trauriges dreht. „Eine Lebensbilanz zu ziehen, ist niemals Zeitverschwendung – ich habe Gelebtes zu Papier gebracht“, erzählt der 76Jährige. Seine Kindheit in Eisenberg ist ebenso Thema wie Wiedervereinigung und Wendejahre oder seine unterhaltsamen Auftritte in großen Häusern und kleinen Tvstudios.
Natürlich geht es in dem Buch auch um die Pandemie, die uns so vieles genommen hat. „Die Menschen sind unzufrieden mit der Situation, das spürt man überall – aber auch, wenn man nicht mit allen politischen Entscheidungen einverstanden ist, so kann man doch nicht die Gefahr ignorieren, die von dem Virus ausgeht“, so der gebürtige Eisenberger. Deshalb hat der Musikus auch für Verschwörungstheorien und Querdenker-proteste kein Verständnis. „Virologen, Politiker, alle tasten sich Stück für Stück vorwärts – ich finde es nur fair, sich an bestehende Regeln zu halten.“Die
Impfung werde hoffentlich Entspannung bringen – so lange müssten Kunst und Kultur durchhalten. „Planungssicherheit, so wie von manchen gefordert, kann es in einer Ausnahmesituation nicht geben.“Vor einem Tag bekam der Künstler übrigens seine erste Impfspritze gesetzt. Aber auch Emmerlich muss zugeben: „Mir fehlen die Auftritte, das Publikum – und mir rinnt in meinem Alter die Zeit durch die Finger.“Allein zu denken, dass die Landesregierungen in Thüringen, Sachsen oder sonstwo Kultur bewusst verhindern wollten, sei „einfach nur Blödsinn“, so Emmerlich.
Manchmal hört man in seinen Worten Trauer. Im vergangenen Jahr musste er sich von seiner sechs
Jahre jüngeren Frau Anne-kathrein verabschieden. Die beiden lebten zwar getrennt, aber waren Seelenverwandte. „Das hat mich sehr getroffen“, erzählt er, „wir waren uns all die Jahre immer nah, waren einander Stütze.“Auch wenn er ihr in seinem Buch eine Episode gewidmet hat, wird er diese bei seinen Lesungen wohl nicht vortragen. „Ich glaube, ich müsste jedes mal Rotz und Wasser heulen.“
Dennoch, das Showgeschäft ist seine Welt – hier fühlt er sich wohl, er genießt es, im Rampenlicht zu stehen und im verbindlichen Plauderton Spitzen auszuteilen. Dazu sein kraftvoller, sonorer Bass, das liebt das Publikum. Und deshalb blieb es ihm über über die vielen
Jahre treu. „An ein Ende meiner Karriere verschwende ich derzeit noch keinen Gedanken“, erklärt Emmerlich deshalb ungeniert. „So lange ich Leute vorfinde, die meine Leidenschaft mit mir teilen, solange sehe ich keinen Grund, mich von der Bühne zu verabschieden.“
Auch in Thüringen sind Auftritte bereits in Planung – etwa im April nächsten Jahres. Dann wird er gemeinsam mit Schauspieler-kollege Thomas Thieme in der Erfurter Kaufmannskirche auf der Empore stehen. Die beiden als Komponisten-genies Bach und Händel – in heiter-gescheitem Dialog.