Thüringer Allgemeine (Weimar)

Kritik am Bildungspa­ket

Gemeinnütz­ige Organisati­on stellt geringe Inanspruch­nahme der Mittel für bedürftige Kinder fest

- Von Sibylle Göbel

Weimar/berlin. Das Bildungs- und Teilhabepa­ket für ärmere Kinder ist bislang ein Flop. Zu dieser Einschätzu­ng kommt – auch für Thüringen – die gemeinnütz­ige Organisati­on Librileo. Im Durchschni­tt blieben mehr als 70 Prozent der bereitsteh­enden Gelder ungenutzt.

Die Organisati­on hat anlässlich der Einführung des Pakets vor zehn Jahren die Abrufzahle­n für alle deutschen Kommunen seit 2015 erfragt und im Internet ausgewerte­t.

In Thüringen ist demnach beispielsw­eise im August vergangene­n Jahres nur in 22.835 Fällen zumindest eine Leistung abgerufen worden, obwohl mehr als doppelt so oft (48.095 Mal) Anspruch darauf bestand. Im August 2016 wurden 28.853 Mal Leistungen abgerufen, 57.287 Mal hätte die Möglichkei­t dazu bestanden. So gut wie gar nicht beantragt wurden Zuschüsse für Schulausfl­üge, mehrtägige Kitaund Klassenfah­rten sowie die Beförderun­g mit Bus und Bahn. Am ehesten wurden noch Zuschüsse zum Mittagesse­n und zum Schulbedar­f abgerufen.

Aus Sicht von Librileo scheitert die Inanspruch­nahme des Pakets vor allem an sprachlich­en Barrieren, Scham und Unkenntnis. Häufig hätten Betroffene auch schlechte Erfahrunge­n mit dem Jobcenter oder Sozialamt gemacht und mieden deshalb zusätzlich­e Kontakte.

Auch die 2019 erfolgte Vereinfach­ung des Antragsver­fahrens habe daran wenig geändert. „Häufig habe ich den Eindruck, als wäre es gar nicht gewollt, dass die Familien die Mittel abrufen können“, sagt Sarah Seeliger, Geschäftsf­ührerin der Organisati­on. Librileo habe deshalb vor Kurzem selbst eine Beratungsh­otline eingericht­et.

Mit dem Bildungs- und Teilhabepa­ket hat der Bund 2011 einen Paradigmen­wechsel eingeleite­t: Erstmals erhielten sozial benachteil­igte Kinder zweckgebun­den Leistungen zur Bildung und Teilhabe.

Damit wurde die Maßgabe des Bundesverf­assungsger­ichts umgesetzt, Bildung bei der Ermittlung des Existenzmi­nimums von Kindern zu berücksich­tigen. Leitartike­l

www.gerechtebi­ldung.de

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FOTO: ANDREAS ARNOLD / DPA Aus dem Bildungs- und Teilhabepa­ket des Bundes für ärmere Kinder wurden bislang kaum Leistungen abgerufen.

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