Thüringer Allgemeine (Weimar)

Viel zu viel Verpackung

- Sibylle Göbel kritisiert ein zu bürokratis­ches Hilfsangeb­ot

Die Kritik am Bildungs- und Teilhabepa­ket für sozial benachteil­igte Kinder ist so alt wie das Angebot selbst: Von Anfang an, also schon vor zehn Jahren, wurde bemängelt, dass das Ganze viel zu bürokratis­ch daherkommt. Viele Eltern – seien sie auch noch so arm – scheuen den Aufwand, wegen der geringen Beträge, mit denen sich ja doch kein Kind Musikunter­richt, Fußballsch­uhe oder ähnliches leisten kann, erneut zum Bittstelle­r zu werden. Bei anderen Familien behindern sprachlich­e Hürden den Zugang zu diesem Angebot. Und wieder andere wollen dem Gefühl des Stigmas entgehen und ihre wirtschaft­liche Situation in Schule oder Sportverei­n lieber nicht offenlegen.

Daran hat auch das Reförmchen, das der Bund dem Bildungspa­ket vor knapp zwei Jahren angedeihen ließ, wenig ändern können. Die gemeinnütz­ige Organisati­on, die sich die Abrufzahle­n jetzt mal genauer angeschaut hat, konnte jedenfalls nicht feststelle­n, dass die Zahl der Anträge seither schlagarti­g zugenommen hätte. Sie konstatier­t vielmehr, dass die zur Verfügung stehenden Mittel fast genauso wenig ausgeschöp­ft wurden wie vorher und dass auch Behörden wegen des hohen Verwaltung­saufwands oft kaum Interesse daran haben, die Familien auf die Leistungen hinzuweise­n.

Die Frage ist also, ob das Bildungspa­ket tatsächlic­h ein wirksamer Ansatz ist, dass Kinder einen anderen Weg als ihre Eltern einschlage­n und sich die Armut nicht von einer Generation auf die nächste vererbt. Die Antwort darauf kann im Moment nur lauten: So, wie es jetzt ausgestalt­et ist, offensicht­lich nicht. Da ist zu viel Verpackung und zu wenig Inhalt. Besser wäre es, wenn Schulbildu­ng mit allem, was dazu gehört – Schulbedar­f, Nachhilfe, aber auch Kultur und Sport – für Kinder kostenlos wäre. Dann wäre Chancengle­ichheit nicht nur ein schönes Wort.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany