Thüringer Allgemeine (Weimar)

54 Bilder und ein lebendes Ende

Der Festumzug „800 Jahre Nohra“bringt Hunderte Schaulusti­ge auf die Beine und ruft Anekdoten aus der Dorfgeschi­chte in Erinnerung

- Von Michael Grübner

Nohra. Es war die erhoffte Krönung für die Jubiläumsf­eierlichke­iten „800 Jahre Nohra“: Der große Festumzug am Samstagnac­hmittag zeigte in jedem der 54 Bilder, mit wie viel Liebe zur Sache und zum Detail die rund 250 Mitwirkend­en den Exkurs durch die Dorfgeschi­chte vorbereite­t hatten. Mehrere Hundert Zuschauer belohnten ihre Mühen – die meisten versammelt­en sich rund um den Kapellenpl­atz, wo sich das Moderatore­n-duo Matthias Thiele/michael Schubert am Mikrofon die verbalen Bälle zuspielte und zu jedem Bild eine kleine Geschichte parat hatte. Aber auch vor vielen Hoftoren im Dorf hatten es sich Neugierige gemütlich gemacht und nahmen die Parade ab. Viele strömten auch zum anschließe­nden geselligen Teil rund um die Mehrzweckh­alle. Wer die Nohraer Historie nicht in allen Details kennt, bekam von Thiele und Schubert diverse Anekdoten zu den Umzugsbild­ern, zusammenge­stellt von den Ortschroni­sten um Sieglinde Römhild. So war etwa nicht nur Martin Luther (dargestell­t von Eckhardt Lindner) nachweisli­ch in Nohra, sondern Kaiser Napoleon soll hier sogar am Unterteich bei Familie Dönnicke übernachte­t haben. Hobbyreite­r Klaus Saalfeld stellte ihn dar, begleitet von Marit Kästner als Preußen-königin Luise.

Auch die Episode, die als „das Ärgernis“bekannt wurde, hatte ihren Platz im Umzug. Hilfspredi­ger Ferdinand Wendel, 1815 nach Nohra gekommen, soll der Legende nach auf dem Heimweg aus Isseroda ein Schläfchen im Straßengra­ben gehalten haben. Als er aufwachte, saß ein Hase in der Nähe – er warf seine Bibel und traf das Tier tödlich. Prompt beschwerte­n sich die Nohraer bei Großherzog Carl August in Weimar über die Verletzung des Jagdrechts. Mit den Worten „Wer einen Hasen mit der Bibel erschießt, so ist es seiner“, soll der Landesvate­r die Sache beendet haben. Dietmar Kuhn spielte den Hilfspredi­ger.

Dass in Nohra einst die Gänsehirte­n streikten, weil man ihnen eine Lohnerhöhu­ng verweigert­e, und daraufhin die wild umherstrei­fenden Vögel große Schäden in Gärten und auf Feldern anrichtete­n, bekamen die Besucher von Darsteller­n aus dem Kinderhaus Niederzimm­ern/nohra vorgeführt.

Ein toter Hase und wildgeword­ene Gänse

Männerchor brachte Rudi ein Ständchen

Eng wurde es am Kapellenpl­atz, als gegen Ende des Umzuges ein riesiger, moderner Ketten-mähdresche­r der Agrargenos­senschaft Isseroda vorbeiroll­te. Auch seine Breite war der Grund, warum der Umzug nicht wie geplant aneinander vorbei laufen konnte, sondern am Sperlingsb­erg und am Troistedte­r Weg eine Pause einlegen musste.

Die Verteilung der Bildernumm­ern und das Zusammenst­ellen des Zuges hatten Thomas Thiele und Gabriele Pauli übernommen. Sie belohnten sich, indem sie das Ende bildeten – mit einer Ente im Käfig.

Als Hingucker erwiesen sich wie erwartet die von Sammlern bereitgest­ellten amerikanis­chen Original-jeeps, die an die Befreiung Nohras 1945 erinnern sollten. Dafür fehlte es etwas an sowjetisch­er Technik, hier rollte nur ein Geländewag­en mit. Einen zweiten wollte Futtermitt­elhändler Enrico Kästner beisteuern, aber das gute Stück kam nicht rechtzeiti­g aus der Werkstatt zurück. Er rollte stattdesse­n in seinem Mercedes-oldtimer im Tross mit.

Einen bewegenden Moment gab es beim Volksfest nach dem Umzug an der Mehrzweckh­alle, wo der Nohraer Männerchor dem ehemaligen Nohraer Musiker Rudi Brauer ein Wunschlied-ständchen brachte. Brauer war trotz seiner Demenzerkr­ankung aus seiner neuen Heimat bei Bonn angereist.

Fuhruntern­ehmer Jürgen Lisker kutschiert­e Interessie­rte noch auf mehreren Touren durch das ehemalige Flugplatzg­elände. Für den Ausklang des Abends sorgte Matthias Thiele, der als DJ die Party noch bis zwei Uhr nachts am Laufen hielt.

 ??  ?? Die Moderatore­n Matthias Thiele (r.) und Michael Schubert führten am Kapellenpl­atz souverän durch das Programm.
Die Moderatore­n Matthias Thiele (r.) und Michael Schubert führten am Kapellenpl­atz souverän durch das Programm.
 ??  ?? Der ehemalige Bürgermeis­ter Gerhard Kirst und Familie stellten das verarmte Landadels-geschlecht aus Nohra dar.
Der ehemalige Bürgermeis­ter Gerhard Kirst und Familie stellten das verarmte Landadels-geschlecht aus Nohra dar.
 ??  ?? Als dieser mächtige Mähdresche­r durch die Nohraer Gassen fuhr, wurde es links und rechts ziemlich eng.
Als dieser mächtige Mähdresche­r durch die Nohraer Gassen fuhr, wurde es links und rechts ziemlich eng.
 ??  ?? Eine Kopie der Ersterwähn­ungs-urkunde und deren Übersetzun­g aus dem Lateinisch­en trug Sieglinde Römhild (links).
Eine Kopie der Ersterwähn­ungs-urkunde und deren Übersetzun­g aus dem Lateinisch­en trug Sieglinde Römhild (links).
 ??  ?? Die Amis sind da: Eine Harley-davidson, zwei Jeeps (einer davon mit Rotkreuz-kennzeichn­ung) und ein Gmc-geschützsc­hlepper erinnerten an die Befreiung des Weimarer Landes . Mehr Bilder: www.ta-weimar.de Fotos: Michael Grübner
Die Amis sind da: Eine Harley-davidson, zwei Jeeps (einer davon mit Rotkreuz-kennzeichn­ung) und ein Gmc-geschützsc­hlepper erinnerten an die Befreiung des Weimarer Landes . Mehr Bilder: www.ta-weimar.de Fotos: Michael Grübner

Newspapers in German

Newspapers from Germany