Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Ein Duo muss zittern
Auftakt in Thüringen: Mit einem abgespeckten Kader beginnt die EM-Vorbereitung für die deutsche Fußball-Nationalelf. Ein Spieler muss aber noch gestrichen werden. Wen trifft es?
Christian Woop
Zumindest für einige Leute in Thüringen scheint es eine große Sache zu sein, dass sich hier die deutsche Fußball-Nationalmannschaft trifft. Im beschaulichen Bad Berka, 7500 Menschen wohnen dort, hängt ein Plakat, auf dem das Vorzeigeteam des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit schönen Grüßen bedacht wird. Im Nachbarörtchen Legefeld haben sich zwei Jungs – der eine im Deutschland-, der andere im Barcelona-Trikot – an einem Kreisverkehr postiert, um Autofahrern zu winken.
Hat man sie passiert und somit die Bundesstraße 85 erreicht, die sich durch ein Waldgebiet schlängelt und Richtung Blankenhain führt, nähert man sich dem DFBTross. Entlang des Weges hoch zum noblen Spa & GolfResort Weimarer Land standen etwa 80 Fans, um einen Blick auf die Nationalspieler zu erhaschen.
Am frühen Sonntagabend fuhren die ersten Profis vor, um sich bis kommenden Freitag in einem MiniTrainingslager auf die Europameisterschaft vorzubereiten, Pascal Groß machte um 16.50 Uhr den Anfang. „Wir haben nicht so viel Zeit, wir werden versuchen, die Inhalte zu trainieren, die wir schon im März trainiert haben“, kündigte Bundestrainer
Julian Nagelsmann an, der mit einem stark abgespeckten Kader üben muss.
Die Dortmunder und Madrilenen fehlen ja noch. Toni Kroos, Antonio Rüdiger, Niclas Füllkrug und Nico Schlotterbeck bestreiten am 1. Juni das Champions-League-Endspiel. Marc-André ter Stegen und Ilkay Gündogan reisen verspätet aus Barcelona an, weil sie am Wochenende noch eine Liga-Partie absolvieren mussten. Auch die Double-Sieger Jonathan Tah, Florian Wirtz und Robert Andrich aus Leverkusen dürfen später zum Treffpunkt im Weimarer Land erscheinen.
Manuel Neuer hat sich einen Infekt eingefangen
Überraschend allerdings war, dass sich auch Manuel Neuer am Sonntag abmelden musste. Bayern Münchens Torhüter, von Bundestrainer Julian Nagelsmann als Nummer eins für die Euro eingeplant, hat sich einen Infekt eingefangen. Nach Angaben des DFB soll der 38-Jährige so schnell wie möglich zum EMKader in Blankenhain stoßen. Die beiden erfolgreichen Länderspiele in Frankreich (2:0) und gegen die Niederlande (2:1) hatte Neuer bereits aufgrund einer Muskelverletzung verpasst. Der Weltmeister von 2014 wird jedoch – sofern gesund – seinen Platz bei der Euro sicher haben. Andere indes müssen zittern. 27 Profis sind Teil des vorläufigen Turnier-Kaders, bis zum Abend des 7. Junis. Der Mainzer Bajan Gruda und Gladbachs Rocco Reitz aus der U21 sind in Blankenhain als zusätzliche Kaderfüller dabei. Im Anschluss an den letzten EM-Test in Mönchengladbach gegen Griechenland muss das Aufgebot um einen Spieler reduziert werden.
Wen es trifft? „Die Wackelkandidaten wissen Bescheid“, sagte Nagelsmann, wollte die Betroffenen aus Respekt den Spielern gegenüber aber nicht öffentlich benennen. Vier Torhüter sind im 26-köpfigen EM-Team gesetzt, das hatte Nagelsmann rund um die Nominierung klargestellt. Alle Positionen sind sonst ferner doppelt besetzt, mit einem klaren Stamm aus etwa 14 Spielern. Nur in der Innenverteidigung sowie im Sturm hat der Bundestrainer ein Überangebot.
Höchstwahrscheinlich wird Nagelsmann hier ansetzen beim Kürzen – was Robin Koch, 27, von Eintracht Frankfurt, und Maximilian Beier, 21, von der TSG Hoffenheim zittern lassen dürfte.
Koch hat zwar den Vorzug vor dem Dortmunder Mats Hummels erhalten, doch in der Hierarchie der fünf zentralen Abwehrleute steht der frühere England-Legionär bloß an fünfter Stelle. Rüdiger und Tah sind das gesetzte Pärchen. BVB-Ver- teidiger Nico Schlotterbeck hat es mit starken Leistungen in der Rück- runde in den Kader geschafft und ist von Nagelsmann auch perspekti- visch mit Blick auf die Weltmeisterschaft in zwei Jahren in höchsten Tönen gelobt worden. Und für Wal- demar Anton spricht eine glänzen- de Saison als Abwehrchef von Vize- meister VfB Stuttgart. Da bleibt kein Platz für Koch.
Füllkrug ist als Wandstürmer erste Einwechseloption
Beier war schon im März nominiert, doch der Angreifer kam bei den befreienden Siegen nicht zum Einsatz. Nagelsmann setzt in Per- son von Kai Havertz auf einen spiel- starken Stürmer, Füllkrug ist als bul- liger Wandstürmer erste Einwech- seloption. Und dann ist da noch De- niz Undav, mit 18 Toren bester deut- scher Bundesliga-Torschütze.
Hoffenheims Beier kommt auf zwei Treffer weniger. Er ist ein ande- rer Stürmertyp als das genannte Trio – und das könnte dem schnel- len Brandenburger noch auf ande- rem Weg die Tür zur Europameister- schaft öffnen. Denn ob Flügelstür- mer Leroy Sané (Schambeinent- zündung) rechtzeitig zur EM fit wird, ist offen. Beier könnte sein Er- satz sein. Auch dazu wird es in Thü- ringen Erkenntnisse geben.