Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
„Rocky“in Bad Blankenburg
Linke stärkt beim Parteitag ihrem Spitzenkandidaten Ramelow den Rücken und wählt geschlossen eine Landesliste
Elmar Otto
Die JenaBigBand in der Bad Blankenburger Stadthalle gibt alles. Aus den Lautsprechern dröhnt das Titellied aus dem BoxKultfilm „Rocky“.
Ein sichtlich erschlankter Bodo Ramelow steht wenige Meter entfernt. Seine Beine wippen ungelenk, die rechte Hand schnippt im Takt, in der linken hält er einen Strauß mit roten Gerbera. Die Parteifreunde stehen und klatschen – minutenlang.
Soeben hat Ramelow ein Ergebnis eingefahren, das an Zeiten erinnert, als es noch eine sozialistische Einheitspartei gab. Mit 99 Prozent haben ihn die Delegierten des Landesparteitags auf Platz eins der Kandidatenliste für die Landtagswahl gewählt. Ramelow sieht glücklich und zugleich müde aus. Aber Zeit sich auszuruhen, hat er nicht. Bis zur Wahl am 1. September er muss sich durchboxen.
CDU-Mann lobt Ramelow
Beim Parteitag steht er aber erstmal geduldig vor einer rot-lila farbigen Wand. Eine Kamera läuft, Heidi Reichinnek (36), Chefin der zur Gruppe geschrumpften einstigen Linke-Bundestagsfraktion, stellt Ramelow (68) lustige Fragen für ein Social-Media-Video.
Ramelows Gesicht spricht Bände, es wirkt, als wünsche er sich gerade in sein Ferienhaus am Thüringer Meer. Doch das muss warten. Und es gibt auch schönere Momente.
Beim Parteitag flimmert der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokführer, Claus Weselsky, über die Videowand. „Lieber Bodo, bleib so, wie du bist. Du und deines Gleichen sollten Erfolg haben auch in die Zukunft hinein“, sagt der 65-Jährige. Weselsky ist seit 2007 CDU-Mitglied. Aber Arbeitnehmervertreter
halten zusammen. Ramelow, einst Landeschef der Gewerkschaft HBV, ist seit langem einziger Hoffnungsträger der Linken. Ohne ihn, das zeigt der Blick in benachbarte Bundesländer, stünde seine Partei deutlich schlechter da. Dennoch rangiert die Linke nach aktuellen Umfragen in Thüringen gerade mal auf Position drei. Hinter CDU und AfD, die momentan deutlich in Front liegt. Und das rot-rotgrüne Minderheitsbündnis hat schon lange keine Mehrheit mehr.
Deshalb ist es wichtig, geschlossen in den Landtagswahlkampf zu gehen. Doch die Aufstellung einer Landesliste hinterlässt fast immer Verletzungen – bei jenen die gar keinen oder nur weit hinten einen Platz finden.
Ob der Vorschlag der Parteispitze gerecht, thematisch und regional ausgewogen ist, darüber debattierten die Gremien am Donnerstagabend in Erfurt stundenlang und kontrovers bis in den Morgen. Es geht um viel. Wenn die Demoskopen Recht behalten, könnte sich die Landtagsfraktion beinahe halbieren.
Risse in der Harmonie
In Bad Blankenburg werben die beiden Linke-Chefs Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft für ihre Listenversion. Mit Erfolg.. Bis zum derzeit einigermaßen sicheren Listenplatz 17 gibt es keine Gegenkandidaten. Auch Staatskanzleiminister Benjamin Hoff (Platz 8: 78,1 Prozent) und Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij (13: 68,5 Prozent), deren Kandidaturen kritisch beäugt wurden, werden bestätigt. Ausgerechnet bei Grosse-Röthig
(Delegiertennummer: 007) zeigen sich ein paar Risse in der nach außen zur Schau gestellten Harmonie. Kurz zuvor haben ihr Genossen ein Gehacktes-Brötchen geschenkt: „Die wissen, was ich mag und wie man mir gute Laune macht.“Nun wird die Weimarer Rechtsanwältin mit lediglich 62,6 Prozent auf Platz zwei gewählt. Ein Misstrauensvotum? „Nein“, sagt Grosse-Röthig. „Ich zeige Kante, wo Kante nötig ist. Da ist man nicht Everybody‘s Darling.“
Co-Landessprecher Schaft, Hochschulpolitiker der Fraktion, fährt mit 88,5 Prozent ein deutlich besseres Resultat ein. Anja Müller, Sprecherin für Verfassung, kommt mit 90,2 Prozent auf Rang drei. Antifaschismusexpertin Katharina König-Preuss landet mit 95,7 Prozent auf fünf. Die Wahlen ziehen sich bis 21.30 Uhr. 50 Plätze umfasst die Liste am Ende. Es geht mehr um Symbolik als um die reelle Chance, es ins Parlament zu schaffen.
Um die Mittagszeit steht Ramelow im Foyer des Versammlungssaals. Seit er monatelang auf Alkohol verzichtet und abends nichts mehr gegessen hat, hat er sieben Kilo abgenommen. „Ich bin top fit und gemessen an anderen Weltpolitikern ein junger Spund“, sagt er.
Im Filmklassiker „Rocky“geht es ums Kämpfen und Gewinnen. Bodo Ramelow mag den Streifen, hat ihn schon mal für ein selbstironisches Video adaptiert. Obwohl er längst zum Establishment zählt, scheint er sich manchmal immer noch wie ein Underdog zu fühlen. Dazu passen Losungen, die zurzeit wenig realistisch sind. „Ich gehe von Platz eins aus. Wir über 30, AfD unter 30“, sagt er.