Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Warum Benzin nicht billiger wird Der Ölpreis fällt, doch Tanken bleibt teuer. Nehmen die Mineralölkonzerne Autofahrer aus?
Ein Liter Diesel kostete zum Wochenende im Schnitt 1,87 Euro, ein Liter E10-Benzin 1,67 Euro. Im März war Sprit bisher am teuersten: Für E10 mussten Autofahrer im Schnitt 2,07 Euro zahlen, für Diesel 2,14 Euro. Das Allzeithoch erreichten die Preise am 10. März mit im Schnitt 2,20 Euro je Liter E10 und 2,33 Euro je Liter Diesel. Das bisher teuerste Tankjahr war 2012 mit Durchschnittspreisen von 1,60 Euro (E10) und 1,48 Euro (Diesel).
Der Automobilclub bemängelt, dass die Spritpreise in Deutschland angesichts des fallenden Ölpreises und des wieder fallenden Dollar-Kurses zu hoch sind. Öl wird in Dollar gehandelt. Der Kurs war im Laufe des Jahres gestiegen, Mitte Juli kostete ein Dollar einen Euro. Inzwischen bekommt man aber für einen Euro wieder rund 1,03 Dollar, muss also weniger aufwenden, um Öl zu kaufen.
Zudem sank der Ölpreis. Im Juni kostete Rohöl der Nordseesorte
Brent zeitweise mehr als 120 Dollar je Fass (159 Liter). Inzwischen liegt der Preis knapp unter 100 Dollar.
Benzin und Diesel werden in Raffinerien aus Rohöl hergestellt. Maßgeblich ist also nicht nur der Preis für Öl, sondern auch der für Raffinerieprodukte. „Gerade in den vergangenen Monaten haben sich die Weltmarktpreise für Benzin und Diesel vom Rohölpreis entkoppelt“, sagt Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie.
Ursache seien knappe Raffineriekapazitäten, die mit der Nachfrage nach Kraftstoffen nicht nachkommen konnten. „Das bedeutet: Nicht Rohöl am Weltmarkt ist knapp, aber die daraus hergestellten Produkte Benzin und Diesel.“
Der Preis an der Zapfsäule enthält zudem nicht nur den Einkaufspreis für Sprit, sondern auch Steuern und Abgaben. Sie sind Küchen zufolge weitgehend unveränderlich und wirken wie ein Fixkostensockel. „Die Tankstellenpreise können daher gar nicht so stark fallen oder steigen wie der Ölpreis.“
Da ist die Angst in Europa und den USA vor einem wirtschaftlichen Abschwung. Dann wäre weniger Öl gefragt. Zudem hat vor allem China begonnen, im großen Stil russisches Öl zu kaufen, das wegen der westlichen Sanktionen zunächst trotz sehr geringer Preise nur wenige Abnehmer fand.
Andere Länder zogen nach. Sie kaufen jetzt kein anderes Öl mehr, was den Markt entspannt. China, zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, durchläuft wegen der harten Sanktionen eine wirtschaftliche Krise, weshalb das Land insgesamt weniger Öl als sonst nachfragt.
Den Verdacht gibt es immer wieder. Letztlich beeinflussen viele Faktoren den Spritpreis, die nicht in der Hand eines Ölkonzerns liegen. Große Gewinne schrieben die Konzerne im Jahr 2021 und im ersten Halbjahr 2022 vor allem, weil die Weltwirtschaft sich mit dem Ende der Pandemie zu erholen begann. Entsprechend stieg die Nachfrage nach Öl und damit der Preis, während die Fördermenge weitgehend gleich blieb. So stiegen auch die Gewinne der Ölkonzerne.
Der Tankstellenmarkt in Deutschland ist im internationalen Öl- und Raffineriemarkt eher weniger wichtig, wie Branchenexperten behaupten. Verbraucherschützer und der ADAC sehen das derzeit anders.
Zum 1. September entfällt der sogenannte Tankrabatt. Der Staat hat am 1. Juni die Energiesteuer für drei Monate um 29,55 Cent je Liter Benzin und 14,04 Cent je Liter Diesel gesenkt. Um diese Beträge plus Mehrwertsteuer wird Sprit teurer.
Die Preise werden nicht überall sofort kräftig steigen. Weil der Sprit im Großhandel versteuert wird, werden Tankstellen am 1. September noch günstiger versteuerten Sprit aus dem August in den Tanks haben. Dort, wo viele Tankstellen um Kunden buhlen, wird der Preis vermutlich nur langsam über mehrere Tage steigen. Wo wenig Wettbewerb herrscht, könnte es schneller gehen.