Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Keine Rechenspielchen
Die DFB-Frauen wollen mit einem Sieg gegen WM-Neuling Südafrika als Gruppenerster ins Achtelfinale einziehen
Vor der heißen Phase des Turniers haben es die deutschen Fußballfrauen ein bisschen ruhiger angehen lassen. Sie schlenderten durch die Gassen von Montpellier und unternahmen einen gemeinsamen Ausflug zum Strand. Mit den Füßen standen sie in den Wellen des Mittelmeers.
„Ich würde jetzt so gerne reinspringen“, rief Melanie Leupolz. Durfte die Mittelfeldspielerin aber nicht, Schwimmverbot. Eine Erkältung sollte nicht riskiert werden, bevor es heute im letzten Vorrundenspiel gegen Südafrika geht. Dann wollen sie allerdings tief eintauchen: in diese WM in Frankreich, in der die Chancen als Gruppenerster drastisch erhöht würden.
Denn Gruppensieger oder nicht – das spielt eine große Rolle im Turnierverlauf. Als Vorrunden-Primus würden die deutschen Frauen im Achtelfinale am Samstag auf einen der besseren Gruppendritten treffen.
Eine vermeintlich leichtere Aufgabe als die Fußball-Großmacht USA, die dem Zweiten der Gruppe B als Gegner winkt. „Deshalb werden wir nicht taktieren, auch wenn uns ein Unentschieden schon reichen würde“, sagt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. „Wir wollen den nächsten Schritt machen. Wir wollen die drei Punkte, wir wollen den Sieg.“
Über mögliche Gruppenkonstellationen machen sich die Spielerinnen selbst nach eigenen Aussagen nicht allzu viele Gedanken. Nur Torhüterin Almuth Schult ist bekannt dafür, sich sehr intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen und die Mitspielerinnen ebenso intensiv darüber zu informieren. Was laut Mittelfeldspielerin Linda Dallmann vom Bundesligisten SGS Essen nun dazu führte, dass „Almuth ein Einzelzimmer hat“.
Doch auch die Torhüterin setzt vor dem Spiel auf Klartext statt auf Rechenspiele: „Wir spielen voll auf Sieg. Wir sind zwar zufrieden mit den bisherigen sechs Punkten und damit, kein Gegentor kassiert zu haben. Wir sind gleichzeitig aber unzufrieden, weil wir noch keinen schönen Fußball bei dieser WM gezeigt haben.“
Sicher, das Ergebnis gegen China und Spanien stimmte, es gab jeweils einen 1:0-Erfolg. Allerdings gab es auch in beiden Spielen Phasen, in denen die Abwehr wackelte und die Offensive ideenlos wirkte. Gegen China ließ Martina Voss-Tecklenburg ein 4-2-3-1-System spielen, gegen Spanien setzte sie auf zwei Spitzen (4-4-2). Nun wartet mit Südafrika ein WM-Neuling mit unorthodoxem Spielstil, es „könnte etwas wilder zugehen“, hatte die Bundestrainerin deshalb im Vorfeld gewarnt. Und leicht wird es auch nicht: Gegen Spanien gingen die Südafrikanerinnen durch die nur 1,55 Meter große Thembi Kgatlana gar 1:0 in Führung, bevor der Favorit die Partie noch zum 3:1 drehte.
Auch beim knappen 0:1 gegen die einstige Frauenfußball-Weltmacht China trat Südafrika mit nimmermüdem Einsatz auf. „Sie sind gut im Umschaltspiel und eklig in den Zweikämpfen“, sagte Torhüterin Almuth Schult.
Für Südafrika geht es immerhin um die letzte Chance, mit drei Zählern zu jenen vier besten Gruppendritten zu gehören, die ins Achtelfinale einziehen.
Wieder nur zusehen wird Dzsenifer Marozsan. Deutschlands Spielgestalterin hatte sich im Auftaktspiel gegen China den linken mittleren Zeh gebrochen.
„Wir schauen jeden Tag, wie belastbar sie ist“, sagt Martina Voss-Tecklenburg. „Sie macht nun erste Übungen mit dem Ball, aber ob es schon für die K.o-Phase reichen wird, kann ich nicht sagen.“Personelle Veränderungen will die Bundestrainerin im Vergleich zu den bisherigen Partien auch so nicht ausschließen. „Wir hoffen ja, noch länger im Turnier zu sein, da müssen wir auch auf die Belastung schauen“, sagte die 51-Jährige, die auch drohende Sperren in ihre Entscheidungen einfließen lassen will. Verwarnt wurden bislang die 17-jährige Lena Oberdorf und Verena Schweers.
In den jüngsten Tagen seit dem Umzug aus Valenciennes ging es vor allem darum, die richtige Balance zu finden. So intensiv zu trainieren wie zuvor im verregneten Norden, nun aber im sonnigen Süden auch die Vorzüge des Standorts zu genießen. „Wir machen hier keinen Urlaub“, sagte Voss-Tecklenburg schnippisch auf die Frage nach den Freizeitaktivitäten. „Aber die Spielerinnen müssen auch mal abschalten können, die Köpfe freibekommen. Wir wissen schon, was auf uns zukommt. Und wir schalten rechtzeitig in den Kampfmodus.“