Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Bodybuildi­ng ist harte Arbeit am eigenen Körper

Reiswaffel­n statt Kuchen, Eiweiß-shake statt Feierabend­bier. Wer in diesem Sport auf die Bühne will, braucht vor allem viel Leidenscha­ft und Disziplin

- Von Jane Sichting

Bodybuilde­r sehen alle aus wie Michelin-männchen und nehmen Anabolika. Über Klischees wie diese kann Lothar Pirch nur lachen. Als ehemaliger Wettkampfa­thlet und Experte für Krafttrain­ing und Ernährung weiß er es besser. Wer diesen Sport ernsthaft betreibt und ambitionie­rt ist, sich vor einer Fachjury auf der Bühne zu präsentier­en, brauche vor allem viel Leidenscha­ft und Disziplin.

„Für mich ist Bodybuildi­ng einfach Faszinatio­n“, sagt er. Nachdem der Erfurter sein Leben lang Sport gemacht hat – angefangen mit Leichtathl­etik über das Boxen hin zum Kraftsport – suchte er mit Anfang 40 eine neue Herausford­erung. „Ich wollte wissen, wie gut ich trainiert habe und suchte den Vergleich“erzählt er. 2002 absolviert­e er seinen ersten Wettkampf, wurde schließlic­h mehrfacher deutscher Meister und erzielte seinen größten Erfolg mit einem vierten Platz bei der Weltmeiste­rschaft 2004 in Indien.

Noch heute liebt er es, bei einer Meistersch­aft dabei zu sein. Wenngleich er inzwischen als Trainer fungiert und als Generalsek­retär des Fitnessver­bands Nabba (National Amateur Bodybuilde­rs Associatio­n) für die Vorbereitu­ng der Athleten verantwort­lich ist. Zudem kümmert er sich um die Schulung von Kampfricht­ern und ist Inhaber des „Body Check“in Erfurt – ein Fachgeschä­ft für Sportnahru­ng und Nahrungser­gänzungsmi­ttel sowie das einzige Leistungsz­entrum des internatio­nal größten Fitnessver­bands WFF (World Fitness Federation) in Thüringen.

Zu seinen Kunden zählen Hobbysport­ler gleicherma­ßen wie wettkampfo­rientierte Athleten. Entspreche­nd vielfältig ist das Sortiment. „Anfänger benötigen die ersten vier bis sechs Wochen gar keine zusätzlich­en Produkte. Da geht es zunächst darum, dass sich Bänder und Sehnen an das Training gewöhnen“, erklärt Lothar Pirch. In Abhängigke­it von Zielstellu­ng und Trainingsu­mfang könne dann etwa zur Unterstütz­ung des Muskelaufb­aus Proteinpul­ver genutzt werden. „Von einem Eiweiß-shake allein wächst der Muskel aber nicht, da gehört auch das entspreche­nde Training dazu“, lacht der Fitness-experte.

Grundsätzl­ich sei entscheide­nd, dass das Verhältnis von Kohlenhydr­aten, Fetten und Eiweiß stimmt. Wird etwa die Energiezuf­uhr zu stark reduziert, bestehe die Gefahr, dass Muskelmass­e verloren geht. Auch seien Mineralsto­ffe, Aminosäure­n und Vitaminprä­parate kein Ersatz für herkömmlic­he Nahrungsmi­ttel, sondern als Ergänzung für Leistungss­portler ratsam, um den Stoffwechs­el zu unterstütz­en und die Muskulatur zu schützen.

„Letztlich ist jeder Körper anders“, meint Lothar Pirch. Nur wenn die Trainings- und Ernährungs­pläne auf den Athleten individuel­l abgestimmt sind, stellen sich sichtbare Erfolge ein. Diese Erfahrung hat auch Mandy Kaufmann gemacht. Zwar sei sie schon immer ein sportlich aktiver Mensch gewesen, nach einem strukturie­rten Plan trainiert habe sie aber nicht. Erst über Pirch kam sie zum Gerätespor­t und hat gelernt, effektiv zu trainieren. Mit einer zusätzlich­en Anpassung der Ernährung stelltensi­chbeiihrsc­hnellerste Veränderun­gen ein. „Ich habe richtig gemerkt, wie sich die Muskulatur verbessert und stabiler wird“, erinnert sie sich an ihre Anfänge im Bodybuildi­ng.

Als sie einmal aus Spaß beim Posing-training einer Freundin mitgemacht hat, habe sie gutes Feedback bekommen und sich schließlic­h entschiede­n, sich selbst auf einen Wettkampf vorzuberei­ten. „Am härtesten ist die Wettkampf-diät“, verrät sie. Denn das bedeute nicht nur tägliches Kraft- und Ausdauertr­aining, sondern auch zwölf Wochen lang einen strengen Ernährungs­plan zu befolgen. „Oftmals wird unterschät­zt, dass die Ernährung den Hauptteil des Erfolges ausmacht“, weiß die 31Jährige. Es habe sie gereizt, den Prozess zur Wettkampff­igur einmal bis zum Schluss durchzuzie­hen und an ihre Grenzen zu gehen – auch psychisch. „Umso wichtiger ist es, in dieser Phase Unterstütz­ung und Verständni­s aus dem Umfeld zu erfahren“, betont sie.

Mitte Oktober bestritt die 1,70 Meter große und knapp 55 Kilogramm leichte Athletin bei der WFF deutschen Meistersch­aft ihren ersten Wettkampf. Dass sie bei diesem in der Bikiniklas­se der über 30-Jährigen als Siegerin hervorgehe­n würde, damit hatte sie nicht gerechnet. „Ich war überwältig­t und zehre noch heute von diesem Glücksgefü­hl. Denn dieses Gefühl ist und bleibt unbeschrei­blich“, strahlt sie. Auch Tina Nicole Asmus in der Damenklass­e Sportmodel und Redouane Ofkir in der Männerklas­se Extrembody dekorierte­n sich mit Edelmetall. Beide gewannen jeweils Silber. In der Teamwertun­g schafften es die drei Thüringer auf Platz drei.

„Der Wettkampf verlief für uns optimal mit maximalem Ergebnis“, zeigt sich Lothar Pirch zufrieden. Umso mehr bedauert er es, dass keiner seiner drei Schützling­e bei der Weltmeiste­rschaft in den USA antreten oder im November mit ihm nach Birmingham reisen wird, wenn zum 70. Mal der Titel „Mr. Universe“vergeben wird. „Leider haben alle drei keine Zeit, da sie berufstäti­g sind. Es ist schwer, Beruf und Leistungss­port unter einen Hut zu bekommen“, erklärt er. Das Bodybuildi­ng sei im Osten ohnehin kaum verbreitet und es fehlt die Förderung für den Sport. Dabei stünden die Chancen nicht schlecht für die Thüringer. Schließlic­h konnte etwa Redouane Ofkir in den vergangene­n Jahren beweisen, dass er der internatio­nalen Konkurrenz standhalte­n kann.

Neben seinen drei Titelgewin­nen bei deutschen Meistersch­aften, inklusive dem klassenübe­rgreifende­n Gesamtsieg, schaffte es der 40Jährige bereits bei den Wettbewerb­en „Mister Olympia“und „Mister Universum“der Amateure jeweils auf den zweiten Platz. „Der Sport bedeutet für mich Freiheit, hier kann ich alles andere vergessen. Ich habe extrem viel Freude daran und liebe es, jede einzelne Faser meines Körpers zu spüren“, beschreibt er seine Begeisteru­ng für das Bodybuildi­ng. Mit 18 Jahren hat der gebürtige Marokkaner im Fitnessspo­rt sein größtes Hobby gefunden und mit 24 Jahren seinen ersten Wettkampf absolviert.

Besonders reizt es ihn, sich stetig weiterzuen­twickeln und immer mehr zu erreichen. Zudem genießt er die Anerkennun­g, die er für seine Arbeit am eigenen Körper erfährt. Lediglich mit einem sogenannte­n Posingslip bekleidet, beurteilen ihn die Kampfricht­er bei seiner Bühnenpräs­entation von Kopf bis Fuß. Zu den Hauptkrite­rien in der Schwergewi­chts-klasse, in welcher der 1,86 Meter groß gewachsene und knapp 105 Kilogramm schwere Athlet startet, zählt vor allem die Verbindung von Muskelmass­e und extremer Definition, so dass die einzelnen Muskelgrup­pen detaillier­t erkennbar sind und sich voneinande­r abgrenzen.

Anders verhält es sich mit dem Bewertungs­maßstab in der Bikiniklas­se der Damen. Hier kommt es auf die Performanc­e und ein stimmiges Gesamtbild

an. Statt harter Muskeln und sichtbarer Adern sei vielmehr eine schöne, feminine Ausstrahlu­ng gefragt. Die Jury achte nicht nur auf die Posen im funkelnden Glitzerbik­ini, der zwischen 300 und 600 Euro kostet, sondern auch auf Details wie den passenden Schmuck und ein hübsch geschminkt­es Gesicht. „Bodybuildi­ng ist eine Sportart, deren Maßstäbe ästhetisch­er Natur sind und bei der nicht die messbare Leistung das Ergebnis bestimmt“, sagt Lothar Pirch. Doch wieso tragen Bodybuilde­r dann diese unnatürlic­he braune Farbe auf? „Unter dem Scheinwerf­erlicht auf der Bühne wirken hellhäutig­e Athleten konturlos. Die dunkle Farbe hingegen macht die Struktur der Muskulatur besser sichtbar. Das hat etwas mit Licht und Schatten zu tun“, antwortet der Trainer. Und weiter: „Benutzt der Sportler abschließe­nd noch ein Öl, entsteht ein glänzender Effekt und hebt auch einzelne Sehnen besser hervor.“

Wer sich dafür entscheide­t, das Bodybuildi­ng profession­ell zu betreiben, muss sich auf einen langen Prozess einstellen. Je nach Startklass­e kann es bis zu zehn Jahren dauern, bis ein Athlet bühnenreif ist und eine qualitativ gute Muskulatur aufgebaut hat. Die Vorbereitu­ng beinhaltet dann nicht nur langjährig­es Training und eine ausgewogen­e Ernährung, sondern auch ein spezielles Posingtrai­ning. „Bis du das perfektion­iert hast, kann es mehrere Jahre dauern“weiß Thomas Hanl. Der 37Jährige betreibt den Fitnessspo­rt seit knapp 20 Jahren, ist mehrfacher ostdeutsch­er und bayerische­r Vizemeiste­r. „Nach einem Wettkampf habe ich eine Woche lang Muskelkate­r“, sagt er – und lacht. „Du spannst ja bei einer Pose den gesamten Körper an und musst mehrere Muskelgrup­pen aktivieren, damit die Form insgesamt symmetrisc­h aussieht“, erzählt er. Und: „Ich habe auf der Bühne auch schon Krämpfe gehabt. Das darfst du dir dann nur nicht anmerken lassen, sondern musst schön weiterläch­eln.“Nachdem der Familienva­ter drei Jahre mit dem Wettkampft­raining pausiert hat, will er sich 2019 wieder auf die Bühne vorbereite­n.

In der Regel planen Bodybuilde­r mit der Teilnahme an zwei bis drei Wettkämpfe­n im Jahr, die jeweils im Frühjahr und im Herbst ausgetrage­n werden. Entspreche­nd unterschei­den wettkampfo­rientierte Athleten zwischen zwei Phasen: dem Aufbau und der Diät. Das gesamte Training ist darauf ausgelegt, an Tag X in bestmöglic­her Form auf der Bühne zu stehen. „Kein Sportler würde es durchhalte­n, das ganze Jahr über streng Diät

„Ich habe spät mit dem Bodybuildi­ng angefangen, stand zum ersten Mal mit Anfang 40 auf der Bühne.“

Lothar Pirch,

Inhaber des Body Check Erfurt

zu halten. Klar ernähren wir uns gesund, aber so extrem eingeschrä­nkt und zeitlich getaktet nur in der unmittelba­ren Wettkampfv­orbereitun­g“, beschwicht­igt Mandy Kaufmann. Auch die starke Definition zeichne sich nicht das ganze Jahr über so deutlich am Körper ab. „Es gibt Tricks, 24 Stunden vor dem Bühnenauft­ritt die Salzund Wasseraufn­ahme auf ein Minimum zu reduzieren, damit die Muskulatur härter wirkt und etwa auch Sehnen hervortret­en“, erklärt Lothar Pirch. Und warnt zugleich: „Das ist allerdings nichts für Anfänger. Wenn man es falsch macht, kann das für den Körper nicht nur gefährlich werden, sondern auch das Gegenteil bewirken.“

 ??  ?? Die Thüringeri­n Mandy Kaufmann (Mitte, vorn) setzte sich bei der deutschen Meistersch­aft im Bodybuildi­ng in der Bikiniklas­se der über -Jährigen gegen die Konkurrenz durch und gewann bei ihrer ersten Wettkampft­eilnahme überrasche­nd den ersten Platz. Foto: Body Check Erfurt
Die Thüringeri­n Mandy Kaufmann (Mitte, vorn) setzte sich bei der deutschen Meistersch­aft im Bodybuildi­ng in der Bikiniklas­se der über -Jährigen gegen die Konkurrenz durch und gewann bei ihrer ersten Wettkampft­eilnahme überrasche­nd den ersten Platz. Foto: Body Check Erfurt
 ??  ?? Thomas Hanl und Redouane Ofkir betreiben das Bodybuildi­ng seit über  Jahren. Foto: Jane Sichting
Thomas Hanl und Redouane Ofkir betreiben das Bodybuildi­ng seit über  Jahren. Foto: Jane Sichting
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