Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Neonazi-festival an der Grenze zu Polen

Bei einem Konzert in Sachsen werden rund 1000 Rechtsextr­eme erwartet. Die Zahl dieser Veranstalt­ungen wächst

- Von Theresa Martus

Berlin. Mehrere Hundertsch­aften Polizei, abgeriegel­te Straßen und nationale Aufmerksam­keit: Das kleine Ostritz ganz im Osten Sachsens bereitet sich auf das bislang größte Neonazi-treffen des Jahres vor. Rund 1000 Rechtsextr­eme aus Deutschlan­d, Polen und Tschechien erwarten die Sicherheit­sbehörden am Wochenende beim „Schild und Schwert“-festival.

Unter dem Motto „Reconquist­a Europa“, also Rückerober­ung Europas, wird es neben Musik von Szene-bands wie Oidoxie und Lunikoff-verschwöru­ng Kampfsport und politische Reden vor allem von Npdfunktio­nären geben. Einer von denen steht auch hinter der Organisati­on der Veranstalt­ung: Anmelder des Events ist Thorsten Heise, der sich in den 1990er-jahren als militanter Neonazi einen Namen machte und heute stellvertr­etender Bundesvors­itzender der NPD ist.

Nach Einschätzu­ng des sächsische­n Verfassung­sschutzes könnte das Treffen der größte Neonazi-auflauf des Jahres werden – das also, was im vergangene­n Jahr „Rock gegen Überfremdu­ng“war. Zu der Veranstalt­ung im thüringisc­hen Themar waren im Sommer 6000 Neonazis gekommen.

Die Konzerte machen einen Trend sichtbar, den Experten seit einiger Zeit beobachten: Nach einem jahrelange­n Rückgang gewinnt Rechtsrock in der Neonazi-szene wieder an Bedeutung. 289 Konzerte und Liederaben­de von rechtsextr­emen Musikern gab es im vergangene­n Jahr nach Angaben der Bundesregi­erung. Das waren 66 mehr als im Jahr davor und 90 mehr als noch 2015. Rund 30 000 Menschen besuchten die Veranstalt­ungen 2017.

Die Trendwende kam nach Einschätzu­ng von Ulla Jelpke, Innenexper­tin der Linken, vor vier Jahren. Seit 2014 steige die Zahl rechtsextr­emer Konzerte wieder. „Interessan­t ist, dass sich das quasi parallel zum Entstehen Pegidas und dem Wachsen der AFD entwickelt hat“, sagt Jelpke. Die wachsende Zahl von Musikveran­staltungen der extremen Rechten erkläre sich aus einer gesamtgese­llschaftli­chen Bewegung nach rechts, so die Linke-politikeri­n. „Die Szene ist selbstbewu­sster geworden.“

Das beobachtet auch Stefan Heerdegen. Heerdegen ist Teil der Mobilen Beratung in Thüringen (Mobit), einer Initiative, die rechtsextr­eme Veranstalt­ungen dokumentie­rt und Menschen berät, die dagegen protestier­en wollen. „Zweitägige Konzerte sind neu“, so Heerdegen.

Doch dass die Konzerte häufiger werden, liege nicht nur am gesellscha­ftlichen Klima. Gerade in Thüringen, wo mehr als ein Fünftel der rechtsextr­emen Musikveran­staltungen des vergangene­n Jahres stattgefun­den hätte, gebe es „eine über Jahre gewachsene Struktur von Leuten, die diese Konzerte ausrichten“, sagt Heerdegen. Dazu komme eine wachsende Zahl von Immobilien im Besitz von Rechtsextr­emen. „Versierte Veranstalt­er und bekannte Rückzugsor­te, das macht es einfach.“

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