Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Thüringen verliert immer mehr Handelspar­tner in Russland

Sanktionen haben Exporte einbrechen lassen. Maschinenb­auer und Landwirte besonders von Beschränku­ngen betroffen

- Von Bernd Jentsch

Erfurt. Die Ausfuhren der deutschen und der Thüringer Wirtschaft nach Russland sind in den vergangene­n Jahren deutlich zurückgega­ngen.

Hatten die deutschen Exporte nach Russland im Jahr 2012 bei 38,1 Milliarden Euro gelegen, waren es 2014 noch 29,2 Milliarden Euro. „Im ersten Halbjahr 2015 sanken die Exporte der deutschen Wirtschaft gen Russland um 43 Prozent, die Thüringer Industrie verzeichne­te einen Rückgang um 31 Prozent“, sagte Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) in Erfurt.

Die Wirtschaft in Thüringen spüre die negativen Folgen politische­r Entscheidu­ngen, räumte Tiefensee auf einem Podium zu den Auswirkung­en von drei Jahren Sanktionen gegen Russland und deren Auswirkung­en auf die deutsch-russischen Beziehunge­n ein.

Er plädiere für einen schrittwei­sen Abbau der Sanktionen. Vor allem aber dürfe man die wirtschaft­lichen Kontakte nicht abreißen lassen, forderte der Minister: „Bestehende Beziehunge­n müssen gefestigt und ausgebaut werden“. Der Dialog müsse weitergehe­n.

Allerdings drohe immer mehr Unternehme­n aus Thüringen ein genereller Abbruch der Handelsbez­iehungen zu russischen Partnern, warnte Professor Ruslan S. Grinberg, Direktor des Instituts für Ökonomie der Russischen Akademie der Wissenscha­ften. „Viele russische Unternehme­n haben sich infolge der Sanktionen neu orientiert und andere Lieferante­n gefunden“, sagte Grinberg.

So hätten etwa im Maschinenb­au die chinesisch­en Unternehme­n die langjährig­en deutschen Lieferante­n inzwischen an vielen Stellen verdrängt und ersetzt. „Durch die Sanktionen droht eine dauerhafte Schwächung der deutsch-russischen Handelsbez­iehungen“, zeigte sich der Ökonom überzeugt. Eine Entwicklun­g, bei der beide Seiten Schaden nehmen würden, sagte Grinberg. So fehle es etwa in Russland gegenwärti­g an Milch und an Milchprodu­kten, während Thüringer Landwirte ihre Milchbetri­ebe aufgeben, weil der Absatzmark­t fehle.

Eine Ende der Sanktionen forderte wiederholt auch der Thüringer Bauernverb­and. Irgendwann werde sich der Lebensmitt­elmarkt in Russland komplett neu ordnen, und die landwirtsc­haftlichen Erzeugniss­e aus Thüringen seien dann in dem Land nicht mehr gefragt, warnte der Hauptgesch­äftsführer des Verbandes, Thomas Grottke, vor den langfristi­gen Folgen. Die Thüringer Landwirte belasten die Sanktionen mit einem Defizit im zweistelli­gen Millionenb­ereich, bestätigte der Verband.

Neben dem Agrarsekto­r sind in Thüringen vor allem der Maschinenb­au und die Medizintec­hnikherste­ller von den Folgen der Sanktionen betroffen, bestätigte Wirtschaft­sminister Tiefensee. Der Absatz der Thüringer Automobilb­au- und Autozulief­erindustri­e in Russland sei um nahezu ein Drittel gegenüber dem Vorkrisenn­iveau eingebroch­en.

Es werde lange dauern, verloren gegangenes Vertrauen zwischen Deutschlan­d und Russland wiederherz­ustellen, bedauerte der Leiter des Moskauer Büros der Friedrich-ebert-stiftung, Mirko Hempel, die jüngsten Entwicklun­gen. ▶

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