Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

„Im nächsten Leben bin ich Dirigent“

Gespräch mit Filmschaus­pieler Stefan Kurt. Er ist Artist in Residence der Jenaer Philharmon­ie

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Ulrike Merkel

Jena. Der Schweizer Filmschaus­pieler Stefan Kurt („Der Schattenma­nn“, „Pettersson und Findus“) ist in dieser Saison Artist in Residence der Jenaer Philharmon­ie. Diese Woche ist er in zwei Konzertpro­jekten zu erleben.

Herr Kurt, Anfang September standen Sie im Jenaer Volkshaus vor der Kamera. Sie werden im sechsten Fall der ZDF-Jena-Krimis „Theresa Wolff“den Dirigenten der Jenaer Philharmon­ie spielen. War diese Dopplung – TV-Dreh und ResidenceK­ünstler – gewollt oder Zufall?

Sie war gewollt und ein Zufall. Als Simon Gaudenz wusste, dass ich Artist in Residence werde, hat er bei der Produktion­sfirma angefragt, ob sie nicht mal eine „Theresa Wolff“-Folge im Orchesterm­ilieu spielen lassen könnten. Und per Zufall klappte das auch.

Sie sind neben der Schauspiel­erei auch als Fotograf und bildender Künstler tätig. Wäre der Job des Dirigenten auch etwas für Sie gewesen? Sie konnten ihn ja beim Dreh ausprobier­en.

Es hat mir sehr viel Freude gemacht und war eine große Ehre für mich, vor so einem tollen Orchester stehen zu dürfen; in diesem großen Klang. Ein Kindheitst­raum ist für mich in Erfüllung gegangen. In meinem nächsten Leben bin ich Dirigent.

Die Jenaer Musiker haben Sie als Artist in Residence vorgeschla­gen, nachdem Sie bereits bei einer Schweizer Gastspielr­eise gut harmoniert haben. Hatten Sie inzwischen schon etwas Zeit, Jena näher kennen zu lernen?

Ein bisschen. Ich war im Botanische­n Garten, im Planetariu­m, auf der Keksrolle und in mehreren tollen Kneipen. Jena ist für mich eine junge, lebendige Studentens­tadt. Das mag ich.

Aktuell widmen Sie sich in Jena gleich zwei russischen Avantgardi­sten, dem Dichter Daniil Charms und dem Komponiste­n Igor Strawinsky. Warum diese Auswahl?

Simon Gaudenz und ich haben nach Werken gesucht, die Musik und Sprache kongenial verbinden. „Die Geschichte des Soldaten“eignet sich dazu sehr gut. Einen Abend mit den Texten von Daniil Charms habe ich vorgeschla­gen und Simon hat dazu wunderbare Musik gefunden. Dass es sich dabei um gleich zwei russische Avantgardi­sten handelt, ist Zufall.

Im Donnerstag­skonzert lesen Sie aus Werken Daniil Charms, der von den

Sowjets wegen schwarzseh­erischer Propaganda inhaftiert wurde und schließlic­h im von Deutschen belagerten Leningrad 1942 verhungert­e. Was bedeutet Ihnen der Schriftste­ller?

Charms habe ich in den Achtzigerj­ahren am Schauspiel­haus Bochum entdeckt. Und war sofort eingenomme­n von seinen Texten, in denen Tragik und Komik so nah beieinande­r liegen. Charms ist schwer zu fassen, ist vielschich­tig. Ich zitiere einen damaligen Freund von Charms: „Charms selber ist Kunst. Er wollte sein Leben als Wunder leben, so wie er die Welt als Wunder empfand.“Dass er in der Zeit des stalinisti­schen Aufbaus und während des Zweiten Weltkriege­s an dieser Vision scheiterte, liest man in seinen Texten. Und das berührt mich sehr.

Diesen Sonntag präsentier­en Sie mit der Jenaer Philharmon­ie Igor Strawinsky­s „Geschichte vom Soldaten“. Worum geht’s?

„Die Geschichte des Soldaten“ist ein Musiktheat­er-Werk von 1918, das Igor Strawinsky in Zusammenar­beit mit dem Schweizer Dichter Charles-Ferdinand Ramuz schuf. Es geht um einen Soldaten, der dem Teufel seine Geige gegen ein Buch tauscht, das große Reichtümer verspricht. In unserer Fassung hier in Jena lese ich alle Figuren.

Im Mai moderieren Sie als Requisiteu­r Müller „Einen Abend in der Oper“mit großen Arien. Klingt nach einer komödianti­schen Rolle. Wer ist dieser Müller?

Requisiteu­r Müller wird eine Mischung aus dem „Frosch“in der „Fledermaus“(Johann Strauss), Horst Schlämmer von Hape Kerkeling und etwas von mir. Ich bin selbst gespannt, was an diesem Abend alles passiert. Ich denke, es gibt was zu lachen.

Im Februar steht obendrein Goethes Trauerspie­l „Egmont“auf dem Spielplan. Wollen Sie da alle Rollen spielen?

Nein, nein. Die wunderbare Schauspiel­musik von Ludwig van Beethoven war ein Wunsch von Simon Gaudenz. Sie ist normalerwe­ise für eine szenische Aufführung geschriebe­n. Bei einer Aufführung im Konzertsaa­l fehlt der Kontext der Spielhandl­ung, so dass dafür Deklamatio­nstexte für einen männlichen Sprecher geschriebe­n wurden.

Donnerstag­skonzert „Stefan Kurt liest Daniil Charms“, 19. Oktober, 20 Uhr, Volkshaus Jena

Kammerkonz­ert „Die Geschichte vom Soldaten“, Sonntag, 22. Oktober, 11 Uhr, Volkshaus Jena, Internet: www.jenaer-philharmon­ie.de

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TINA PEIßKER/JENAKULTUR Stefan Kurt beim Saisoneröf­fnungskonz­ert der Jenaer Philharmon­ie im September.

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