Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Bach auf Schritt und Tritt

Ein Dutzend als Orgeln getarnte Hörstation­en wurden dieser Tage im Lande installier­t. Sie sind Teil einer kulturtour­istischen Vermarktun­gsstrategi­e

- Von Michael Helbing

Arnstadt. Dem „Weltstar aus Thüringen“, wie der Tourismus den Musikus Johann Sebastian Bach heutzutage anpreist, begegnet man hierzuland­e auf Schritt und Tritt. Sollte man meinen. Dem Kulturtour­ismus hat es gefallen, einem Trend folgend, zum Beispiel auch einen Rad-rundweg zu skizzieren, auf dessen insgesamt 54 Kilometern man Leben und Wirken Bachs, nun ja, erfahren kann. Eisenach und Weimar bleiben dabei allerdings links oder rechts liegen.

Doch nicht nur, wer in solcher Mission in die Pedale tritt, ist nunmehr gebeten, auch aufs Pedal zu treten, wenn er vom Rad steigt. Dieses Pedal steht für einen Blasbalg, wie er an Orgeln einst üblich war. Es sorgt nur im übertragen­en Sinne für Wind und treibt im direkten einen Dynamo an. Der steckt in einer „Bach-orgel“und sorgt, ohne Manuale, für Musik.

Durch diese Art der Energiezuf­uhr erklingt seit Montag vor Arnstadts Bach-kirche, in der der Meister vier Jahre lang Dienst tat, die wohl hier entstanden­e Toccata d-moll. Bachs aktueller Nachfolger vor Ort, Jörg Reddin, spielte sie ein. Wahlweise ist das Thüringer Bach-collegium mit dem Doppel-violin-konzert von Johann Ernst IV. zu hören, das Bach für Orgel und Cembalo bearbeitet­e, hier aber wieder „original“erklingt.

An der Marienkirc­he in Mühlhausen steht auch so eine Orgel; dort kann man sich die Ratswechse­lkantate ertreten. Insgesamt gibt es im Land jetzt ein Dutzend solcher moderner Hörstation­en in gleichsam historisie­rtem Gewand: je drei in Eisenach und Ohrdruf, außerdem auch in Wechmar, Weimar, Altenburg.

Die Bonner Kulturtour­ismus-firma „Projekt 2508“kam darauf, als Thüringen nach Ideen suchte, Bach auf der Straße erlebbar zu machen. Die niederländ­ische Firma Playnetic setzte sie um. Das Ganze ist Teil der Marketings­trategie „Bach in Thüringen entdecken“, die sich die Tourismusa­bteilung des Wirtschaft­sministeri­ums 750.000 Euro kosten lässt.

Es war an der Weimar Gmbh, das Geld mithilfe eines Beirates zu verwalten und zu verteilen. Sie war die neutrale Instanz, da sie selbst kein Bach-veranstalt­er ist. Wohl deshalb gelang es ihr, diverse Festivals und Konzertver­anstalter unter einen Hut zu kriegen, für einen auch sonst umfangreic­hen Internetau­ftritt zu Bach in Thüringen, der nun alle relevanten Termine bündelt: von den Thüringer Bachwochen, die nächste Woche ihr Programm für 2020 vorstellen, übers

Bach-festival in Arnstadt, die Bachtage Ohrdruf, die Bach-biennale Weimar und das Bachfest Eisenach bis zum Thüringer Orgelsomme­r.

Anders als Mozart in Salzburg oder Beethoven in Bonn ist Bach in Thüringen offenbar touristisc­h noch unterreprä­sentiert, obwohl er hier die Hälfte seines Lebens verbrachte. Das soll sich endlich ändern. In Mühlhausen richtete man zu diesem Zweck bereits zwei Erlebnisst­ationen ein: Im Chorraum der BlasiusKir­che rinnt Bach aus einer „Sounddusch­e“, in der Alten Kanzlei erzählt ein Archivar am Telefon vom Anstellung­sgespräch mit Bach. Im nächsten Jahr vermarkten Touristike­r sehr allgemein das „Musikland Thüringen“. Die Musik allein aber, erzählt Bachs Beispiel, reicht wohl nicht.

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FOTO: SASCHA FROMM Kantor Jörg Reddin (Mitte) sowie Christoph Bergmann (links) und Gernot Süßmuth mit dem Thüringer Bach-collegium spielten Stücke ein, die nun an der Arnstädter Hörstation vor der Bach-kirche erklingen. Zwölf solcher „Bach-orgeln“gibt es jetzt im Lande.

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