Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Mit dem „Klappi“in die Hauptstadt
Jan Hähnlein und seine Mitstreiter schafften es in knapp 21 Stunden von Erfurt nach Berlin – einmal mehr für den guten Zweck
Erfurt. Die kleine Isabella kannte ihre Helden auf zwei Rädern nicht. Sie konnte sie nicht einmal sehen. Isabella leidet an Kinderdemenz im fortgeschrittenen Stadium und ist frühzeitig erblindet. Dennoch wollte sie unbedingt mit ihren Eltern zum Brandenburger Tor kommen, um Jan Hähnlein und seinen Mitstreitern zu danken. Der Marbacher war gerührt, als es zu der Begegnung kam. „Ich wusste nichts davon, aber es hat mich ganz schön mitgenommen, genauso wie mich die Krankheit an sich mitnimmt“, so Hähnlein. Seit vier Jahren engagiert er sich für die Ncl-stiftung, die sich gegen die seltene und tödliche Kinderdemenz einsetzt. Und das, obwohl seine eigene Familie gar nicht davon betroffen ist.
Allein in diesem Jahr hat Jan Hähnlein, der bei Facebook unter dem Slogan „Jan Hähnlein fährt“über seine Projekte berichtet, über 11.000 Euro für die Ncl-stiftung gesammelt. Mit seinem Mountainbike fuhr er von Santiago de Compostela über den berühmten Jakobsweg nach Erfurt, 2600 Kilometer in 20 Tagen. Auch beim Masserberg-marsch über den Rennsteig, 100 Kilometer in 24 Stunden, nahmen er und seine 13 Mitstreiter reichlich Spendengelder für die Ncl-stiftung ein.
Nun also die Aktion mit den Klappfahrrädern. Von Erfurt sollte es mit den keineswegs für Langstrecken gebauten Kulträdern nach Berlin gehen, 286 Kilometer möglichst an einem Tag. „Die Idee hatte ich schon vor zwei Jahren, als ich die Strecke andersrum gefahren bin. Ich bin als Kind zum letzten Mal Klapprad gefahren und wollte es gern wieder machen. Also habe ich für meine Mitstreiter und mich jeweils zwei Räder gesucht und los ging‘s“, erzählt der 48-Jährige.
Am 21. September machte sich der Tross auf den Weg. Weltenbummler Thomas Schröder, der wortwörtlich mit dem Fahrrad schon um die Welt gefahren ist (Hähnlein: „Mein Vorbild“), Frank Pfeifer, Verkaufsleiter der Bäckerei Bergmann und Hähnleins Wanderfreund, sowie Hähnlein selbst. Begleitet wurden sie wie ein Tour-de-franceFeld, mit Materialwagen, der Ersatzräder und Verpflegung transportierte, und einem Kamerawagen, aus dem Lars Wannemacher, Vereinsfotograf der Tecart Black Dragons, fleißig Fotos machte und filmte. „Es wird ein Film dazu entstehen, das Interesse war ja schon auf dem Domplatz ziemlich groß“, sagt der Initiator und betont, den schwierigsten Job auf der Tour hätten die Autofahrer Anja Pfeiffer und Dirk Bracklow gehabt. „Sie durften nicht einschlafen.“
Seinem nostalgisch-spaßigen Aufruf „Klappifahrer aller Länder vereinigt euch“folgten rund 30 passionierte Klappradfahrer. Manche kamen mit getunten „Klappis“, manche mit waschechten Mifa-rädern aus DDRZeiten. Sie alle begleiteten Hähnlein und seine Mitstreiter noch ein Stück des Weges. „Bis Kerspleben haben wir über eine Stunde gebraucht. Da dachte ich: Das kann ja heiter werden“, erinnert sich Hähnlein lachend an den gemütlichen Start.
Von da an legte das Trio einen Zahn zu. Bei herrlichem Spätsommerwetter ging es rasch Halle, wo langsam die Dunkelheit hereinbrach und sie sich für die Nacht rüsten mussten. Viel passieren konnte nicht, schließlich hatten sie Warnwesten dabei und waren durch zwei Autos geschützt. „Das Härteste waren die nächtliche Kälte und die unbequeme Haltung, so dass ich ordentlich Krämpfe in den Fingern hatte. Aber hey, wir sind ja nicht zum Spaß gefahren“, verweist Hähnlein auf die Strapazen für den guten Zweck.
Zweimal abgestiegen, aber kein einziger Defekt
Beachtlich: Kein einziger Defekt suchte das Trio heim, die Ersatzräder konnten also im Materialwagen verbleiben. „Wir mussten halt zweimal absteigen und schieben, denn für richtige Berge ist das ‚Klappi‘ nun wirklich nicht geeignet“, so Jan Hähnlein.
Und als sie nach 20 Stunden und 50 Minuten am Brandenburger Tor ankamen, wartete schon Isabella auf ihre Helden.
Für nächstes Jahr hat Jan Hähnlein bereits die nächsten Projekte im Kopf. Es soll unter anderem einen 50-KilometerCharitymarsch geben, zudem eine Aktion auf dem Wasser, „und wieder was mit dem Klapprad, das hat mir gut gefallen“.